Wir machen's AMTlich

Dank der im Vertrag von Maastricht eingeführten, unsere Staatsbürgerschaft ergänzenden, Unionsbürgerschaft haben wir in der Europäischen Union natürlich das wunderbare Recht auf Freizügigkeit. Das heißt in groben Zügen, dass wir uns im gesamten Unionsgebiet frei bewegen, unseren Wohnsitz wählen und wirtschaftlich betätigen dürfen. Somit gibt es also auch keine rechtlichen Hindernisse für unser Barcelona-Jahr. Das bedeutet aber trotzdem noch lange nicht, dass wir uns einfach als U-Boote in Spanien niederlassen und dort schalten und walten dürfen, ohne dem spanischen Staat darüber Bescheid zu geben!

Zunächst gilt es, eine NIE Nummer zu organisieren. Eine schnelle Recherche in diversen Ausländerforen ergibt, dass die Beantragung einer NIE Nummer vor Ort in Spanien ein langer und steiniger Weg ist. Ohne NIE geht aber – NIE-X. Die „Número de Identidad de Extranjero (N.I.E.)“ braucht man als Ausländer für sämtliche rechtliche Belange des Lebens in Spanien (Verträge, Bankgeschäfte, Melderegister etc etc). Grundsätzlich kann man sie bei jedem Polizeikommissariat in Spanien beantragen, benötigt wird eine Reisepasskopie, sowie das ausgefüllte Antragsformular (1,5 A4 Seiten). Klingt nicht wahnsinnig kompliziert, oder? Trotzdem ist das Thema NIE in Ausländerkreisen eines der heißesten überhaupt. Da werden Tipps von Leidgeprüften an Leidgeprüfte gegeben, wie „wenn du dich bei diesem Polizeikommissariat in jenem verschlafenen Dörfchen 80km abseits der letzten Autobahnabfahrt um 3h morgens anstellst, hast du gute Chancen, einer der drei Antragsteller zu sein, deren Antrag die dortigen Beamten an jenem Tag bearbeiten!“

Nun, das ist natürlich etwas übertrieben. Tatsache ist aber, dass für die Beantragung einer NIE Nummer in Spanien immens viel Zeit und gute Nerven eingeplant werden müssen. Schließlich braucht man die Nummer schnell, um sein Leben in Spanien auf Schiene zu bekommen – der durchschnittliche Neuankömmling scheint mit der Beschaffung der NIE aber mehrere Monate beschäftigt zu sein. Gut, dass ich Else kennengelernt habe. Die Österreicherin, auch Mama von drei Kindern und seit gut zwei Jahren in Barcelona ansässig, hat mich über Facebook kontaktiert und steht mir seither mit gutem Rat zur Seite. Sie bringt mich auf die Idee, mich um die NIE Nummer bereits von der Heimat aus zu kümmern. Offenbar kriegt man die Nummer nicht nur bei der spanischen Polizei, sondern auch bei allen Konsulaten weltweit. Das klingt natürlich gut! Erstens ist am spanischen Konsulat in Wien sicher weniger los als bei einer durchschnittlichen Polizeidienststelle in Barcelona, und zweitens finde ich auch den Gedanken nicht unangenehm, diesen Behördenweg eventuell auf Deutsch zu erledigen. Mein Spanisch reicht zwar für die Grundlagen des Alltags, aber sicher nicht für die Feinheiten und Nuancen eines klassischen Amtswegs. Ich verstehe ja sogar bei unseren österreichischen Behörden manchmal nicht wirklich, was die von mir wollen – das wunderbare Amtsdeutsch ist ja schließlich auch eine an der deutschen Sprache lediglich entfernt orientierte Fremdsprache.

So marschiere ich motiviert eines sonnigen Tages aufs spanische Konsulat in der Argentinierstraße. An der Tür werde ich von zwei Beamten der Guardia Civil aufgehalten und kontrolliert, nachdem meine Tasche durchleuchtet und ich durch den Metalldetektor geschritten bin, darf ich ins Konsulat vortreten. Die freundliche Dame am Schalter bittet mich sogleich zu sich und fragt nach meinem Anliegen. Auf Spanisch verkünde ich selbstbewusst, weswegen ich da bin. Sie antwortet mir daraufhin und sehr ausführlich – etwas. Ich gebe aber noch nicht auf! Auf Spanisch bitte ich sie (schon etwas weniger selbstbewusst) das Gesagte zu wiederholen und wenn geht, bitte auch etwas langsamer zu sprechen. Sie wiederholt wieder ausführlich und diesmal hörbar langsamer etwas, der Ton ist jedenfalls freundlich, das höre ich heraus! Ja sapperlot. Ich mache offenbar ein sehr ratloses Gesicht, das meine Ansprechpartnerin dazu bewegt, mir immer noch freundlich und auf Deutsch zu sagen: „die NIE Nummer bekommen Sie bei uns nicht! Da müssen Sie in Spanien zu einem Polizeikommissariat gehen.“

Ja aber Hallo! Das habe ich doch ganz anders gehört und gelesen. Zaghaft frage ich nach und erkläre, dass man die NIE laut meiner Informationen doch auch am Konsulat kriegen sollte. Ja, wahrlich, erläutert sie mir, es geht schon, aber nur ganz, ganz selten und ausnahmslos in den folgenden Fällen: Falls ich in Spanien eine Erbschaft antreten, eine Immobilie kaufen oder ein Bankkonto eröffnen will. Sämtliche andere Gründe gelten hier nicht – falls ich die Nummer aus irgendeinem anderen Grund brauche, sind sie hier nicht zuständig.

Gut, dass ich die einzige anwesende Kundschaft bin, so habe ich Zeit zu überlegen. Nun, von spanischen Erbonkeln weiß ich nichts, Immobilienkauf ist momentan auch nicht wirklich ein Thema, aber… ein Bankkonto könnte ich vielleicht doch brauchen, oder? Die Geistesblitze dieser Erkenntnis erhellen den ganzen Raum. Mit neuem Selbstbewusstsein gestärkt, verkünde ich (jetzt wieder auf Spanisch! Olé!), dass ich in Spanien eh ein Konto eröffnen will. Da strahlt die Konsulatsmitarbeiterin übers ganze Gesicht, schiebt mir ein paar Antragsformulare hin und spricht salbungsvoll: „Ein Bankkonto brauchen Sie! In diesem Fall stellen wir Ihnen sehr gerne Ihre NIE Nummer aus. Kommen Sie wieder mit Ihrem Reisepass und einer Passkopie, die Ausstellung der Nummer dauert dann etwa 10 Tage.“

Ein paar Tage später sind Rudolf und ich (er muss nämlich persönlich vorstellig werden, wurde mir gesagt) wieder am spanischen Konsulat – diesmal bin ich ja schon ein alter Hase. Ich übergebe die Antragsformulare, Passkopien und die etwa 9 Euro NIE-Gebühr mit den Worten „Wir möchten in Spanien ein Konto eröffnen!“

Wenige Augenblicke später sind wir wieder draußen. Die NIE Nummer wird uns, wie angekündigt, eine gute Woche später per Email zugestellt. Nun sind wir also offiziell Ausländer in Spanien. „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde“ wusste schon der große Karl Valentin. Wir sind in der spanischen Fremde nun Fremde mit einer Identifikationsnummer und somit nicht mehr vollkommen fremd. Das freut uns. Sehr.

So sieht das wertvolle Stück Papier übrigens aus. Unsere N.I.E.s hab ich versteckt -- wer selbst eine haben will, weiß ja nun, wie es geht.

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