Überraschend trocken: Silvester in Napier.

Von Feilding führt uns der Weg weiter Richtung Nordosten an die Küste. Wir möchten den Jahreswechsel in Napier verbringen, einer reizenden Art Déco Stadt, die aus lauter pastellfarbenen, sauberen Häuschen besteht und mit ihrer Makellosigkeit dem Besucher das Gefühl vermittelt, man sei in einem Filmset unterwegs. Auf der Route dorthin fahren wir zunächst durch dichtbewaldete, tiefe Schluchten, in denen tief unten ein rauschender Gebirgsfluss tost. Wildromantisch, und fast ein wenig wie daheim in den Alpen. Überhaupt sieht es vielerorts in Neuseeland ganz ähnlich aus wie in unserer lieben Heimat -- viel saftige Natur, Berge, Wiesen, Felder. Bei genauerer Betrachtung bemerkt man dann aber die eine oder andere Palme inmitten des Bergwaldes, baumgroße Urzeitfarne und etliche andere Pflanzenarten, die es bei uns nur im Glashaus gibt. Darüber hinaus scheint alles wesentlich naturbelassener zu sein. Wo bei uns dank fleißiger Forstwirte auch in den Wäldern jedes Bäumchen am richtigen Platze steht und zwischen diesen Bäumchen auch gut und ordentlich ausgeputzt wurde, herrscht hier Urwaldanarchie... dichtestes Dickicht und überbordende Flora, in die -- so scheint's -- gerade einmal eine Schneise für den Autoverkehr geschlagen wurde. Die Straßen sind entsprechend schmal und ich bin (wieder einmal) froh, dass ich nicht selbst fahren muss, sondern dies Rudolf überlassen kann, der mit stoischer Gelassenheit unseren Rexton entlang der engsten, kurvigsten und steilsten Wege manövriert.

Je näher wir der Küste kommen, umso flacher und weiter wird das Land. Goldgelbe Hügel, auf denen Kühe und Schafe weiden, dazwischen dunkelgrüne Nadelbäume und latschenähnliche Sträucher, wirken (vor allem auch in dem regnerisch-trüben, aber gleichzeitig so hellen neuseeländischen Licht) wie romantische Ölgemälde.

Schließlich erreichen wir Napier und beziehen unser Zimmer im zentral gelegenen Bella Vista Motel. Leider ist der Name nicht Programm, wie sich herausstellt. Ich hatte es in der Annahme gebucht, dass Bella Vista uns wohl einen besonderen Ausblick bescheren würde -- nichtsahnend, dass Bella Vista Motels eine hiesige Motel-Kette sind und ihre Standorte ganz unabhängig von der Schönheit des Rundherum wählen. So blicken wir weder aufs Meer, noch auf die reizvollen Art Déco Bauten von Napier, sondern auf den Parkplatz des benachbarten Motels und einen Baumarkt. Kein Grund, im Zimmer zu bleiben, und so ziehen wir gleich los, um die Stadt zu erkunden.

Napier war 1931 bei einem Erdbeben praktisch dem Erdboden gleichgemacht worden und sollte nun erdbebensicher wiederaufgebaut werden. Die Stadtplaner entschieden sich dabei für den amerikanischen Art Déco Stil. Die Pastellfarben, die heute ganz charakteristisch für die ganze Stadt sind (auch modernere Gebäude sind nur in diesen Farbtönen gestrichen) waren in den Dreißigern eine Notlösung -- die Farbe reichte nicht für alle neuen Häuser und musste deshalb gestreckt werden.

Hauptstraße des Ortes ist die Marine Parade, die den Strand entlang führt. Wunderschöne botanische Gärten, Minigolf, ein Museum und viele Restaurants, Cafés und Hotels verleihen Riviera-Ambiente. Leider ist der Strand, trotz seiner Breite und des feinen Sands, kein Badestrand: Etliche Hinweisschilder warnen vor den unberechenbaren Wellen und Strömungen, die hier vorherrschen. Offensichtlich sind kleine Flutwellen, die einen Sonnenbader schnell einmal ins Meer hinein ziehen können, hier nicht selten. Das Wetter ist aber ohnehin bewölkt und kühl und so fällt es uns (und den Kindern) nicht schwer, auf den Strand zu verzichten und stattdessen lieber den Rest der Umgebung zu erkunden. Das Stadtzentrum besteht aus einigen Einkaufssträßchen, die (fast) Fußgängerzonen sind und mit einer Vielzahl an Boutiquen aufwarten können. Die Waren sind für europäische Verhältnisse aber eher hochpreisig und dabei nicht besonders an Qualität und Haptik. Wir kaufen also nichts außer Sandwiches und Eis und flanieren entlang der bunten Schaufenster. Mitten in der Einkaufsstraße steht ein kleiner Spielplatz mit einer Hinweistafel, man möge sich hier her setzen, die Kinder spielen lassen und sich selbst eine Auszeit gönnen. Das machen wir gern!

   

Am größten Platz entlang der Marine Parade, an dem die Schiffsglocke der "HMS Veronica" ausgestellt ist (das Schiff, das 1931 nach dem Erdbeben Katastrophenhilfe leistete), wird den ganzen Tag über schon eine große Konzertbühne für den Abend und die Silvesternacht errichtet. Während wir vorbeispazieren, sind bereits einige Bands beim Soundcheck. Pauli ist sofort dabei und legt zur Freude der Band und der Zuschauer gleich einmal ein kesses Tänzchen hin.

Neugierig studieren wir die Ankünderplakate. Das Programm startet um 20h30, es werden einige lokale Größen auftreten, es gibt Feuerwerk und Imbissbuden. Aber! Was gibt es sicher nicht: Alkohol! Bei der Veranstaltung ist ein "Liquor Ban in Effect". Die Straßen zur Veranstaltung sind abgesperrt, Ordner kontrollieren die Taschen, damit ja niemand auch nur ein Tröpfchen Feuerwasser auf das Festgelände schmuggeln kann. Überhaupt ist das Alkoholtrinken in Napier (und vielen anderen Teilen Neuseelands) nur in Gaststätten erlaubt -- ein kleines Picknick am Strand mit einer normalerweise harmlosen Flasche Wein oder Bier wird mit hohen Strafen geahndet. Für uns Europäer unvorstellbar... hier in Neuseeland stellt der Alkoholmißbrauch aber ein so großes gesellschaftliches Problem dar, dass das Trinken im öffentlichen Raum verboten werden muss. (Ob das nicht einfach nur kosmetische Maßnahmen sind, sei einmal dahingestellt -- nach dem Motto "Aus den Augen aus dem Sinn": sofern sie also zuhause saufen, muss ich mich als Staat darum nicht kümmern... Aber um ehrlich zu sein, kenne ich die hiesige Problematik dazu zu wenig, um dies bewerten zu können). In Österreich, so sind wir uns sicher, würde vermutlich niemand eine solche Veranstaltung besuchen -- Alkoholverbot zu Silvester bedeutet ja auch, dass es nicht einmal einen Sekt um Mitternacht gibt. Das könnte man bei uns wohl nur wenigen so recht als Spaß verkaufen.

     

Als wir nach einer kleinen Siesta im Hotel pünktlich um halb neun das Veranstaltungsgelände aufsuchen, ist aber schon ziemlich viel los. Viele haben sich Campingsessel und Tische, sowie Kühltaschen mit Vorräten mitgebracht und sich schon vor der Bühne für die nächsten paar Stunden eingerichtet. Wir spazieren ein wenig umher und beschließen dann, uns bei einer der Imbissbuden Hot Dogs zu besorgen. Was wir erwarten, sind Frankfurterwürsterl mit Senf und Ketchup in einem länglichen Brötchen. Was wir bekommen, sind matschig-weiche, seltsam würzige Bratwürstel (?), die auf ein Eisstaberl aufgespießt und in einer Art Backteig frittiert wurden. Das Ganze wurde dann auch noch in Tomatensauce getunkt, was den Backteig aufweichen ließ. Naja, Hunger ist bekanntlich der beste Koch. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Pauli scheint sein Hot Dog jedenfalls sehr geschmeckt zu haben (er hat ihn in Rekordtempo verdrückt), während Klara durch meine dummen Witze im Hinblick auf "Heißer Hund" einigermaßen verunsichert war. Ich hatte, in der Annahme, dass sich dieser beste aller Witze dann dadurch auflösen ließe, dass in dem Brot ein Frankfurterwürstel liegt, darüber sinniert, ob ein Hot Dog wohl ein gebratener Hund sei. Das bräunliche Fleisch unter der frittierten Hülle war nicht eindeutig genug Nicht-Hund, um Klara davon zu überzeugen, dass ihre kindische Mutter einfach nur einen schlechten Scherz gemacht hatte. Ihren Hot Dog aß sodann der Vater und wir besorgten für sie frische "Chips", also dicke Erdäpfelspalten, die zum Ausgleich dafür dann wirklich gut waren.

   

Wir begeben uns anschließend wieder vor die Bühne, wo das junge Starlet "Gala" ihr Bestes gibt. Auch ihr gönnt Pauli ein fröhliches Tänzchen, wobei er gleich ein paar andere Kinder mitreißt. Noch schöner als Galas Gesang finden wir aber das Ambiente... die beleuchtete Bühne, das Meer auf der einen, die Pastellstadt auf der anderen Seite. Leider ist es nicht der milde Sommerabend für den die Hawkes Bay normalerweise bekannt ist, sondern ziemlich frisch -- und so beschließen wir gegen 22h wieder ins Motel zurückzukehren. Auf das Feuerwerk am Strand verzichten Rudolf und ich schweren Herzens; Es wäre für die Kinder allerdings sicher zu anstrengend, zu laut und zu kalt gewesen.

         

Nachdem wir die Kinder ins Bett gebracht haben, öffnen Rudolf und ich zur Feier des Jahreswechsels eine Flasche hiesigen Sauvignon-Blanc Sekt und gönnen uns ein Gläschen. Wir dürfen ja! Um Mitternacht stoßen wir an, gehen vor die Motelzimmertür, um doch noch einen Blick aufs Feuerwerk zu erhaschen (finden aber wieder eher Null Vista, denn Bella Vista vor) und tanzen einen per Wifi/Youtube aus dem iPhone schallenden Donauwalzer. Wir freuen uns über das vergangene Jahr, das uns so ein liebes und unerwartetes Geschenk namens Rosemarie gebracht hat -- und freuen uns noch mehr auf das kommende neue Jahr, in das wir voller Zuversicht und Optimismus blicken dürfen.

Am nächsten Morgen schmückt Klara ihr kleines Schwesterchen als "Leuchtengel", mithilfe der Knicklichter, die sie am Vorabend bei der Veranstaltung eingesammelt hatte (diese wurden nämlich in die Menge geworfen und von den Kindern in wilder Jagd erbeutet).

Mit diesem Bild unserer tüchtigen großen Klara, dem schlimmen Strizzi Pauli und dem Leuchtengerl Rosemarie wünschen wir euch allen EIN FROHES NEUES JAHR! Auf dass es ein Gutes für uns alle werden möge.

Thema: Überraschend trocken: Silvester in Napier.

Love your posts!

Corn dogs. Yum. Now, you have really lived. :)

Prosit

Liebe DÖM5!

Das klingt ja alles so fantastisch! Ich freu mich immer über die Berichte. Man kann sich so gut in Euch hineinversetzen und lernt dabei Alltägliches über Neuseeland. Genießt die Tage! Wie Ihr Euch vorstellen könnt, hatte ich zu Sylvester alle Hände voll zu tun, da vorort die Toiletten überdurchschnittlich frequentiert werden. Bussis

IRB3

Heute hat es hier etwas geschneit. LA u ich haben den Schnee zusammengekratzt und einen stattlichen Schneemann gebaut. Ich freue mich schon, wenn ich einen auch mit KP wieder machen werde. Die Enttäuschung war groß, als APR schon schliefen, aber dass es auch bei Euch finster war, ließ uns noch lange darüber reden. Jetzt werde ich nach einem fröhlichen Tag die Saua einheizen und lesen. Ihr werdet ja bald wieder wach sein und Rudolf wird wieder schwer arbeiten müssen. Buitlibuits Mun

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