Regentage in ChCh

Nachdem sich nach der Abreise von Katharina und Konstantin durch einen Sturm herangewehte, dicke Wolken über ChCh gesammelt hatten, erwachen wir an einem trüben, regnerischen, kalten Samstag (16.1.). Eigentlich hatten wir den Tag im "Willowbank Wildlife Park", einem Wildtierpark außerhalb der Stadt, verbringen wollen, um Kiwis, Oppossums, Tuataras und andere heimische Tiere zu erleben. Die weitläufige Parkanlage hätte sich auch bestens für ein gemütliches Picknick angeboten, ausgiebige Spaziergänge und (natürlich, wie immer) Spielplatzaction. Dies ist nun leider ins Wasser gefallen... es ist so ungemütlich, dass es einfach wenig Spaß macht, draußen zu sein. Wir verschieben den Willowbank Park also auf den Sonntag, in der Hoffnung, dass es dann wieder sommerlich schön sein würde, und machen stattdessen einen netten kleinen  Stadtspaziergang durch das Zentrum von Christchurch. Ziel ist die "Imagination Station", eine Art Indoor Spielplatz, in der Nähe des Hauptplatzes "Cathedral Square".

Hier eine Garnitur der historischen Straßenbahn, mit der man kommentierte Touren durch das Stadtzentrum machen kann.

Unten eine Maori-Pouwhena ("Holzstatue") vor dem Rathaus von Christchurch. Die Inschrift "Te Pou Herenga Waka" lautet übersetzt ungefähr: "Die Statue, die alle Völker vereint".

Der Fluß Avon fließt wirklich besonders malerisch und hübsch mitten durch die Innenstadt. Was man in Großstädten leider nur mehr selten sieht, was hier aber speziell charmant ist, ist, dass das Flüßchen nicht reguliert ist; das heißt zumindest nicht zwischen mit dem Lineal gezogenen Steinmauern fließen muss. Man bekommt einen Eindruck des natürlichen Flußlaufs, entlang dessen verschiedenste Wasservögel ein halbwegs naturbelassenes Leben führen dürfen. An sonnigen Tagen kann man sich auf dem Avon auch mit einem Punting Boat (zu deutsch "Stocherkahn") schippern lassen. Ein Stocherkahn ist ein relativ flaches Boot, an dessen Ende ein Bootsführer ("Punter") steht, der das Boot mithilfe einer sehr langen Stange (dem "Punting Pole"), die er vom Grund des Flusses abstößt, vorwärtsbewegt und auch lenkt. Punting ist besonders in den englischen Universitätsstädten Oxford und Cambridge populär und wurde von dort aus auch nach Christchurch importiert.

Die von uns angesteuerte "Imagination Station" liegt in einer alten Straßenbahnremise, die daneben auch einige Geschäfte und nette Lokale beherbergt. Die Remise öffnet sich zur "New Regent Street", einer schmucken kleinen Einkaufsstraße, wo ich in einem Vintage Geschäft namens "Bella Bean Vintage" die schönsten Kleider, Blusen und Accessoires aus den 50er, 60er und 70er Jahren entdecke und einen kleinen türkisen Pulli mit silberner Stickerei (50er Jahre) erstehe. Eine blitzblaue original Mod-Tunika aus den 60ern, im waschechten Twiggy-Style, hätte es mir auch schwer angetan -- allerdings passt sie mir, naja, eher wie eingeschweißt, denn angegossen, weswegen ich sie schweren Herzens auf den Kleiderständer zurückhänge.

Rudolf und die Kinder haben sich derweilen in der Imagination Station niedergelassen. Diese besteht aus drei Bereichen: Einem, wo Duplo Steine aufgehäuft liegen (für die jüngeren Kinder), einem wo Lego und Legotechnik-Steine liegen und einem dritten, wo einige Computer stehen, an denen die Kinder sich an technischen Planungsprogrammen versuchen können. Rundherum gibt es Sitzgelegenheiten für die Eltern. Die Kinder wühlen sich begeistert durch die riesigen Legohaufen... der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. So viele Legosteine auf einmal haben wir noch nie gesehen! Das Beste: das Angebot ist kostenlos. Die Anlage ist, wie wir es mittlerweile in Neuseeland schon gewohnt sind, trotzdem gepflegt und sauber und obwohl hier zweifelsohne täglich viele Kinder aller Altersstufen toben und spielen, in bestem Zustand. Die Menschen gehen hier einfach sehr rücksichtsvoll miteinander und auch mit fremdem Eigentum um.

        

Gute zwei Stunden spielen Klara und Pauli hier sehr konzentriert, während Rudolf und ich noch ein paar letzte Ansichtskarten schreiben. Um etwa 16h ist der Hunger schon riesengroß und wir überlegen, wohin wir zum Essen gehen sollten. Wo man üblicherweise in Großstädten den ganzen Tag über und bis weit in die Nacht hinein gute warme Küche erwarten kann, findet man in Neuseeland selbst im urbanen Bereich zwischen maximal 15h und 18h meistens gar nichts. Nicht einmal Snacks! Die meisten Gastronomiebetriebe sperren in dem Zeitraum gleich ganz zu, was bedeutet, dass nicht einmal Randzeitenklassiker wie Toast oder Würstel zu bekommen sind. In Mini-Markets kann man sich vielleicht Schokoriegel oder Chips kaufen. Uns steht der Sinn aber nach einer ordentlichen Mahlzeit. Am Wochenende ist es bei uns, vor allem wenn wir Ausflüge machen, schon oft so, dass wir spät und viel frühstücken, dann um die Mittagszeit maximal eine Banane essen und die eigentliche Mittagsmahlzeit dann erst am Nachmittag einnehmen. Wir überlegen also Hin und Her, was wir machen sollten (ich habe ehrlich gesagt nur sehr wenig Lust darauf, heimzufahren und selbst zu kochen), als mir zufällig eine Visitenkarte in die Hände fällt, die das Schicksal neben unseren Tisch auf den Boden geweht hat. Das Restaurant "Mexico", etwa 200m von der Imagination Station entfernt, bietet für die fleißigen Lego-Bauer und ihre Eltern das Sonderangebot "Kids eat free, if parents dine with us" (Kinder essen gratis, wenn die Eltern im Lokal speisen). Und das noch dazu von 11h vormittags weg den ganzen Tag lang durchgehend! (Angeschrieben ist, wie in Neuseeland oft üblich "Till late", also "bis spät", was dem Wirt ermöglicht, je nach Gästeaufkommen einfach zuzusperren, wenn es nicht mehr passt.)

Nichts wie hin, also! Der Weg führt uns, wie meistens hier im Zentrum, wieder an Abbruchhäusern und leeren Grundstücken vorbei... das Ortsbild ist hier, wie schon beschrieben, so zerklüftet, dass man sich gar nicht vorstellen kann, dass man sich inmitten einer Großstadt befindet. Auf einem der Grundstücke hoppelt tatsächlich ein Häschen.

Das Mexico ist ein quietschbuntes, fröhliches Lokal, mit lauter mexikanischer Musik und breiten Holztischen und -bänken. Gemütlich, unkompliziert und einfach einladend. Wir sind zufrieden mit dieser Möglichkeit (Wahl war es nun wirklich keine) und bestellen Quesadillas mit Lamm, Tacos mit Huhn und Avocado, Fisch und Molletes mit Cochinita (Brötchen mit Bohnenpaste und butterweich und teuflisch scharf gedünstetem Schweinefleisch). Die Kinder bekommen auch hier eine eigene Kinderkarte, Ölkreiden, Malvorlagen und Rätsel. Unten versuchen Klara und ich gerade ein in "Spanglish" (also einer Mischung aus Spanisch und Englisch) knifflig gehaltenes Wörtersuchspiel zu lösen. Zum Trinken probieren wir Jarritos, mexikanische Limonaden, die in hübschen Flaschen und verschiedenen, recht synthetischen, aber ganz köstlichen, Geschmacksrichtungen daherkommen. Das Essen ist wirklich ausgezeichnet, wenn auch die Portionen nicht allzu groß ausfallen. Es ist aber entsprechend günstig und so haben wir zumindest noch Platz für die guten mexikanischen Nachspeisen, die uns schon beim Bestellen der Hauptspeise gelockt haben. Rosemarie verschläft ihren Ausflug nach Mexico ohne sich auch nur einmal zu regen und so kann auch ich mich voll auf mein Essen konzentrieren -- was seit gut drei Monaten ein seltenes Vergnügen geworden ist!

  

Am Heimweg kommen wir an ein paar künstlerisch gestalteten Orten des schon einmal beschriebenen Kunstkollektivs vorbei, unter anderem eine Art "Freiluft-Jukebox-Disco": Auf einem leeren Grundstück wurde ein großer, glänzender Tanzboden aufgestellt, über dem von drei Stangen gehalten, eine riesige Discokugel baumelt. Daneben steht eine große Soundanlage, an die eine Jukebox angeschlossen ist. Wenn man einen Dollar einwirft, kann man sich die Lieblingstanzmusik wählen, die dann über den ganzen Platz erschallt. Dies wirkt besonders surreal dadurch, dass rundherum einfach weit und breit wieder kaum etwas ist. Als wir vorbeikommen, tönt gerade Shaggys "Mister Boombastic" aus dem Lautsprecher, zu dem sich ein ungefähr siebenjähriger Bub wie wild und recht rhythmisch-geschickt im Stile eines jungen Travolta alleine auf der Tanzfläche bewegt, während sein Vater daneben steht, und ihm geduldig und auch recht begeistert zuschaut.

Zum Tagesausklang kuscheln die Kinder und ich faul auf der Couch bei einer Folge "Border Patrol" und der Kochsendung "Masterchef Australia", wo Hobbyköche gegeneinander antreten müssen, indem sie in einer bestimmten (recht kurzen) Zeit ein vorher definiertes Gericht kochen müssen. Fast so spannend wie "Border Patrol"! Rudolf macht Feuer im Kamin und liest die Zeitung. Ein richtig beschaulicher Samstag Abend also.

Der Sonntag ist leider noch verregneter als der Samstag und so wird es wieder nichts mit dem Tierpark. Im Dauerregen ist nicht einmal ein Stadtspaziergang eine gute Option und wir hängen ein wenig verdrossen im Haus herum. Klara und Pauli lassen in ihrer fast unerschöpflichen kreativen Energie natürlich keine Langeweile aufkommen und erfinden ein Spiel namens "Baby Zug", bei dem sie Rosemarie in ihrem "Bouncy Seat" (eine recht urige neuseeländische Wippe) wie die Wilden durch das ganze Haus schieben, was dieser und auch den Großen sehr viel Spaß macht. Zwischendurch gibt es immer wieder kurze Pausen, bei denen der Baby Zug in den Bahnhof einfährt (siehe zweites Bild unten, wo Rosemarie unter dem Beistelltischchen ist). Rosemarie hält das voll Freude und Motivation fast 40 Minuten lang durch, bis sie auf einmal mitten unter dem Spiel im Bouncy Seat einschläft.

Es ist dann allerdings nur ein 15-Minütiger Powernap; danach geht es gleich weiter mit dem wilden Geschwisterspiel. Diesmal möchte Pauli Rosemarie unbedingt an seinem Steckspiel teilhaben lassen und schiebt sie in die richtige Position, damit sie gut an die Steckteile herankommt (nur gut, dass sie sie sich noch nicht in den Mund stecken kann!).

Der Regen wird und wird nicht besser, weswegen wir beschließen, den Sonntag dann zumindestens zum Shoppen zu verwenden. Wir steuern den (an sieben Tagen in der Woche von 7 - 24h geöffneten) Hypermarkt "Countdown" an, der gefühlt alles führt, was man essen oder trinken kann -- und noch ein bisschen mehr. Die Auswahl ist unglaublich und das Geschäft so groß wie... ein größeres Möbelhaus bei uns. Ich irre eine gute Viertelstunde kreuz und quer zwischen den Regalen herum auf der Suche nach Reis, bis ich schließlich fündig werde und mich mit ungefähr 15 Laufmeter Regalfläche mit verschiedensten Reissorten  auseinandersetzen muss. Packungsgrößen von "1 Microwave Snackportion" bis zum 20kg Jutesack machen Preisvergleiche fast unmöglich, dazu die verschiedenen Sorten, Anbaugebiete, Körnergrößen, Marken... ich schnappe mir dann, total überfordert, einfach irgendeine Kilo-Packung Basmatireis und habe dabei aber das Gefühl, nicht bestmöglich gewählt zu haben. Da ist es doch besser, wenn man seine Wahl nur zwischen einer Handvoll Produkte treffen muss und dafür dann aber überzeugt sein kann, das Ideale gefunden zu haben. Nett ist jedenfalls das Angebot, dass Kinder sich kostenlos am Obst bedienen dürfen, während ihre Eltern einkaufen. Klara und Pauli schnappen sich begeistert Nektarinen, während Rudolf sie im (dem Geschäft angepassten) Riesenwagerl herumschiebt. Insgesamt ist es natürlich schon auch immer interessant, in einem fremden Land durch den Supermarkt zu streifen, und zu erkunden, was es alles so gibt. Zwischen all den spannenden, für uns fremden neuseeländischen Produkten und den üblichen globalen Bekannten, gibt es hierzulande auch besondere Grauslichkeiten wie diesen Literbeutel Eiweiß.

      

Unsere nächste Station ist der Gemischtwarentandler "The Warehouse", der dem Countdown in punkto Ladenfläche um nichts nachsteht. Im Warehouse gibt es alles, was man nicht essen kann. Bau- und Gartenbedarf, Bücher, Spielsachen, Elektronik, Pflanzen, Haushaltsartikel, Kosmetik, Kleidung... wir sind auf der Suche nach speziellen neuseeländischen Gläsern, die wir dann zwar auch finden, aber nicht kaufen (sie sind recht billig und minderwertig verarbeitet). Dafür kaufen wir dann ein paar Bücher, eine kurze Hose und ein Shirt für Klara, sowie einen Lippenpflegestift für mich. Dann sind wir zum Glück schon alle recht hungrig, sodass wir gar nicht mehr länger im Warehouse bleiben wollen. Es ist dies nämlich die Art von gefährlichem Geschäft, in das man hineinkommt um eine Kleinigkeit zu kaufen, die man braucht, um dann mit einer Tonne anderem Krimskrams herauszukommen, von dem man bis dahin gar nicht wußte, dass man ihn braucht (und es eigentlich auch nicht tut).

Wir laden die Einkäufe zuhause ab und nutzen die momentane Regenpause für einen Ausflug in den Hagley Park, zum "World Buskers' Festival". Busker sind Straßenmusikanten, Gaukler und Artisten. Beim "World Buskers' Festival" treten verschiedene Gaukler auf öffentlichen Bühnen im Park auf, dazu gibt es Verpflegungsbuden, Musik und Kinderspielangebot. Wir sehen einem Peitschenkünstler zu, der mit zwei langen Peitschen wild um sich knallt und dabei allerhand Kunststücke vollführt. Das feuchte und kalte Wetter lädt aber nicht zum Verweilen ein, alles ist naß, sodass auch die Spielbereiche nicht genutzt werden können. Wir holen uns bei den Verpflegungsbuden Hot Dogs (echte! Wurst im Brot, nicht Wurst am Spieß!) und Churros und marschieren weiter in den benachbarten Botanischen Garten. Gut, dass das Buskers Festival noch eine weitere Woche lang läuft -- wir beschließen, unbedingt an einem schöneren Tag wiederzukommen.

   

Der Botanische Garten ist wunderschön. Ein richtiges Refugium aus hohen Bäumen, dazwischen bunte Sommerblumen und wieder riesige Büsche von Hortensien. Natürlich darf auch hier ein großartiger Spielplatz nicht fehlen. Dieser hat sogar noch zwei tolle Besonderheiten: einerseits einen riesengroßen Kinderpool mit zwei Becken unterschiedlich seichter Wassertiefe, andererseits eine große Schaukel für Kinder, die im Rollstuhl sitzen. Schön, dass es so ein Angebot gibt! Klara und Pauli sind sehr begeistert auf allen Klettergeräten oben und nach kürzester Zeit ziemlich durchnäßt, sodass wir dann rasch den Heimweg vorbei am "Canterbury Museum", antreten.

       

Zuhause machen wir es uns wieder so richtig gemütlich. Ein schönes und ausgefülltes Wochenende liegt hinter uns, das zwar anders war, als wir es uns vorgestellt hatten, aber trotzdem großen Spaß gemacht hat.

Thema: Regentage in ChCh

Shop til you drop

Congrats on experiencing full blown American-style consumerism. Long live egg white shopping on Sunday! Lol.

Eiweiss im Beutel

Das ist wohl das skurrilste Produkt seit langem. Wem fällt sowas ein - aber noch viel mehr: wer bitte kauft so etwas??? Muss das deklariert werden wenn es verwendet wird? Grgrbrbr, und dein Gesichtsausdruck ist sehr passend!
Liebe Grüße aus Wien, schaue grad den Nachtslalom von Schladming ;-)!!

Wetter

Hoffe, dass Euch die Sonne bald wieder scheint! Am Samstag fahren wir auch mal auf Urlaub! endlich.... Bussis

Hortensienparadies

Danke für den neuen informativen Beitrag. Auch ein Supermarktbesuch scheint ein Erlebnis zu sein. 15m "Laufreis" ist bitterer Reis, wenn bedacht wird, dass die Menschen, die ihn ernten, häufig hungern. Das Foto von Rös mit Paul ist allerliebst - auch unter dem Tisch - was sie sich alles gefallen lassen muss, sie scheint das auch noch zu genießen!
Gut, dass das Picknick neben einem Opossum nicht stattgefunden hat. Es wäre vielleicht gar nicht so entspannend gewesen. Hoffe auf Fortsetzung. Buitlibuit

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