Plimmerton - Feilding - Napier

Am 30.12. verlassen wir Plimmerton und machen uns ins Landesinnere auf. Feilding heißt unser Ziel -- laut Reiseführer "Die schönste Stadt Neuseelands". Das klang bei Reiseplanung und Unterkunftsbuchung natürlich sehr verheißungsvoll! Dass weder Rudolfs Kollegin Rachel noch ihr Mann Michael jemals von Feilding gehört haben, läßt uns insgeheim befürchten, dass es sich bei dem oben genannten Label eventuell nur um einen Marketing-Gag des Feildinger Tourismusverein handeln könnte. Nun, die Rundreise ist gebucht und wir wollen uns auch gern selbst ein Bild machen. Immerhin liegt Feilding inmitten des fruchtbarsten Gebiets Neuseelands -- wo Obst und Gemüse saftig und vitaminreich reifen und momentan außerdem schönste Erntezeit ist. Das allein ist doch schon eine Reise wert.

Die Fahrt führt uns zunächst die Küste entlang. Schroffe Felsformationen und Klippen zu unserer Linken, steinige Hänge zu unserer Rechten... landschaftlich (wie eigentlich alles bisher) wieder wunderschön. Leider sind die Fotos durch die Frontscheibe nicht so gut geworden, aber einen Eindruck kriegt man allemal. Wir passieren auch einen reizvollen Badeort nach dem anderen. Kaum an der Ortstafel vorbei, stehen wir im Stau -- offensichtlich sind etliche Urlauber unterwegs, um den Jahreswechsel am Meer zu verbringen. Es ist heiß und die Ungeduld wächst.

Schließlich windet sich die Straße von der Küste weg ins Landesinnere und prompt ist auch wieder weniger Verkehr. Das Landschaftsbild wandelt sich drastisch. Es ist hier insgesamt auffällig, dass sich die Landschaft und Vegetation innerhalb von wenigen Kilometern komplett ändern können. Eben noch im dichtesten, dschungelähnlichen Urwald unterwegs, kann man sich nach einer weiteren Kurve in einer dürren Steppe wiederfinden... In diesem Fall tauschen wir die karstige Küste gegen goldgelbe und saftiggrüne Felder, dazwischen Windschutz in Form von Laubbaumreihen. Wir könnten fast im Marchfeld sein. Nicht nur Obst und Gemüse ist hier zu finden, auch große Weiden mit Rindern und Schafen. Die Kühe sind hier nach Altersgruppen eingezäunt. Da findet man die erwachsenen Kühe friedlich grasend und dann schließlich in einer geduldigen Schlange angestellt, zum Melken vor dem Stall (dass sich keine vordrängt, ist klar! Queue-jumping ist, wie im ganzen anglosächsischen Raum auch in Neuseeland ziemlich verpönt!). Die halbwüchsigen Kühe bevölkern eine weitere Weide gemeinsam, dann findet man auch die kleinsten Kälbchen zusammen. Sie sind offenbar gerade von der Muttermilch entwöhnt und noch ganz zart und babyhaft. Wir benennen die einzelnen Weiden je nach Altersgruppe in "Kälbchengarten", "Kuhmnasium" und "Kuhniversität", was den Kindern großen Spaß macht und dazu führt, dass wir alle danach Ausschau halten, was wir wohl als nächstes wieder sehen werden. Auf manchen Kuhweiden sind auch ein paar Schafe unterwegs, die meisten sind jedoch nur unter ihresgleichen. Augenscheinlich werden sie zu unterschiedlichen Zeiten geschoren; so kann man auf den Schafweiden eine Vielzahl von Frisuren sehen. Die -- oft kilometerweit auseinanderliegenden -- Bauernhöfe bewerben ihre Produkte mit Schildern an der Straße. Man kann überall stehen bleiben und frische Eier, Beeren, Marillen, Kirschen... kaufen. Wer will, kann sich allerdings auch einen Zuchtwidder mitnehmen! Da lockt beispielsweise ein Betrieb damit, der "One Stop Ram Shop" zu sein. Wir fünf haben aber ohnehin schon drei Widder mit an Bord, und so kaufen wir lieber ein Körbchen Erdbeeren (die Rudolf am Weg zum Auto gleich hinunterfallen und in den Staub kullern, woraufhin die Bäuerin sofort herbeieilt und sie gegen ein frisches Körbchen austauscht! Das hätten wir nicht erwartet.).

Schließlich erreichen wir unser Ziel. Wir nächtigen im Mansfeild Park Motel, das genauso aussieht, wie man sich ein Motel so vorstellt. Die überaus freundliche Besitzerin weist uns in alles ein und scheint sich gleichzeitig sehr darüber zu freuen, wie auch darüber zu wundern, dass wir da sind. Sie ist ganz beflissen, uns Möglichkeiten aufzuzeigen, was wir hier überhaupt unternehmen können -- und was auch den Kindern Spaß machen könnte. Bedauernd erklärt sie, dass zu den Weihnachts/Silvestertagen in Feilding eigentlich alles geschlossen hat, da auch die Geschäftsleute und Gastronomen einmal Urlaub machen wollen. Interessant ist dabei natürlich, dass momentan Ferienhochsaison ist. In der Tat herrscht in den Straßen gähnende Leere und selbst die Regale im örtlichen Supermarkt sind nur halbvoll. Ihr seid aber sicher schon sehr gespannt, ob Feilding nun tatsächlich das Gütesiegel der schönsten Stadt Neuseelands verdient hat, oder nicht! Nun, zuallererst muss natürlich gesagt sein, dass wir ja noch nicht so viele Städte in Neuseeland kennen, also auch noch nicht so viel Vergleichsmöglichkeit haben. Hier ist nun aber unsere persönliche Bewertung: ja, es ist schon sehr nett. Man kann sich hier auf jeden Fall wohlfühlen -- und sofern die örtlichen Gewerbetreibenden ihre Läden einmal aufsperren, sicher auch etwas erleben. Schönheit ist natürlich auch immer ein recht abstrakter Begriff -- liegt sie doch immer im Auge des Betrachters! Ich will es aber so sagen: schirch ist Feilding jedenfalls nicht. Rudolf traut sich sogar, die Wirtin zu fragen, inwiefern denn Feilding nun die schönste Stadt Neuseelands sei. Sie lacht dazu und meint, es läge daran, dass in Feilding die schönsten Menschen wohnen. (Auch das können wir nicht so bestätigen -- die Wirtin und ihre Familie sind zwar nicht unattraktiv, sonst sehen wir in den Straßen leider auch nur wenige Menschen...). Die Geschichte hinter dem Label erklärt sie uns aber so: es gibt einen Wettbewerb des National Tourism Board, wo es weniger um die reine Schönheit der Gebäude und Straßen geht, sondern um Sauberkeit, Freundlichkeit, Kriminalitätsrate etc. Diesen Wettbewerb gibt es seit 15 Jahren -- und Feilding hat 14 Mal gewonnen! In dem einen Jahr, wo das Örtchen nicht auf dem Stockerl stand, hatte die Rathausbedienstete einfach vergessen, die Bewerbung rechtzeitig abzugeben.

Was auf jeden Fall ins Auge sticht, ist, dass es in Feilding fast ausschließlich Second Hand Geschäfte gibt: für Herrenkleidung, Damenkleidung, Kinderkleidung (jeweils als eigenes Geschäft), Spielwaren und Kinderzubehör, Inneneinrichtungsgegenstände, Haushaltsartikel etc etc. Feilding scheint also nicht nur die schönste Stadt Neuseelands, sondern mindestens auch noch Recyclinghauptstadt zu sein. Gelebte Nachhaltigkeit, das ist natürlich sehr lobenswert.

  

Weniger nachhaltig, aber bestimmt "in der Saison" ein Besuchermagnet ist die örtliche Grand Prix Rennstrecke Manfeild Park. Autorennen, Hunderennen und Pferderennen werden hier geboten. (Ja, natürlich hat sie gerade geschlossen...). Wir wollen uns das Gelände trotzdem ansehen. Am Rande des Parks befindet sich ein toller Spielplatz, wo Klara, Pauli und ich uns niederlassen, während Rudolf mit Rosemarie im Kinderwagen weiter marschiert, um sich die eigentliche Rennstrecke anzusehen. Dabei wird er von einer älteren Dame erspäht, die ihn sofort unter ihre Fittiche nimmt und ihm als persönlicher Tourguide alles zeigen will. Von erstaunlicher Fitness wieselt sie mit ihm über das ganze Gelände (das ziemlich groß ist) und läßt erst locker, als er wirklich alles gesehen hat. Auf dem Foto unten ist sie als türkiser Fleck zu sehen -- da dürfte sie Rudolf schon ins Auge gefaßt haben, während er noch nichtsahnend das Gelände fotografierte.

Ein großes Highlight unseres Feilding Aufenthaltes will ich euch natürlich nicht vorenthalten: Pauli hat Fahrrad fahren gelernt! Und das kam so. Die Wirtin, ehrlich besorgt um unsere Urlaubsunterhaltung, hat Klara und Pauli Fahrräder angeboten, die normalerweise ihren fünf Enkelkindern gehören. Es sei kein Problem, meinte sie, die beiden sollten sich einfach nehmen, was ihnen Spaß macht und dürften dann auf dem großen Motelparkplatz radeln (außer uns war sowieso nur ein weiterer Gast da). Leider gab es weder Laufrad (was Pauli bis jetzt gefahren ist), noch Fahrrad mit Stützen, woraufhin kurzerhand ein normales Rad für den Buben gewählt wurde. Und siehe da: Pauli setzte sich drauf, wackelte kurz, und strampelte dann -- unter Jubelrufen von Klara, uns Eltern, der Wirtsleute, zwei der Enkelkinder, sowie der Tochter der Wirtin -- souverän wie ein alter Biker davon.

Zur Feier des Tages holen wir uns zum Abendessen "Take-away" vom örtlichen Inder (auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen, es hat sonst auch nichts geöffnet...) und essen ganz gemütlich im Motel. In der Nacht gewittert es ganz wild. Der Regen prasselt heftig auf das Dach, was ziemlich laut wird. Weder Rudolf, noch eines der Kinder wacht davon auf -- und ich bin auch müde genug, dass es mich nicht lange stört.

Den letzten Tag des Jahres beginnen wir mit herrlich süßen, neuseeländischen Goldkiwis (und gebratenen Spiegeleiern, die sofort den Rauchmelder im Zimmer losheulen lassen...). Die Kiwis schmecken ganz anders als daheim... süßer und molliger; die Kinder sind begeistert. Pauli verputzt sogar gleich drei! Klara schnabuliert immerhin auch zwei. So gestärkt, radeln die beiden noch ein paar Runden am Parkplatz, während wir zusammenpacken und auschecken. Weiter geht die Fahrt, an die Ostküste -- nach Napier, wo wir Silvester feiern wollen. Oder besser: den Jahreswechsel verbringen wollen. Davon berichte ich im nächsten Beitrag.

Thema: Plimmerton - Feilding - Napier

Feilding ist nicht gleich Feilding

Jetzt hat der Rudi Dö doch glatt fünf seiner 7 Enkelkinder in Neuseeland. Das hätte er sich bestimmt nicht träumen lassen...
Feilding sollte Deiner Schilderung nach Fielding heißen. Du hast wirklich das Beste draus gemacht - es wunderbar erzählt. Hau!

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