La vie en rose à Akaroa
Unser letzter Wochenendausflug von Christchurch aus führt uns am 29.1. etwa 75km weiter östlich auf die Banks Peninsula, ins malerische Städtchen Akaroa, das, umgeben von vulkanischem Gebirge, an einem wunderschönen Naturhafen liegt. Die Sonne brennt wieder besonders stechend vom Himmel, woraufhin sich richtiges Hochsommergefühl bei uns einstellt.
Wie man auf den folgenden Bildern erkennen kann, ist der Blick auf das offene Meer von Akaroa selbst gar nicht möglich. Das, in Verbindung mit den hohen Bergen und dem von türkis bis tiefblau changierenden Wasser, vermittelt fast das Gefühl, an einem Bergsee zu sein. Wieder offenbart sich uns ein Blick auf eines der letzten naturbelassenen Paradiese der Erde. An diesem wunderschönen Fleckchen Erde wohnen lediglich etwa 1.000 Menschen, ganz im Einklang mit der Natur. Obwohl die Halbinsel ein beliebtes Ferien- und Ausflugsziel für die Einwohner von Christchurch ist, findet man hier keine großen Hotelkomplexe, Hochhäuser, breite Straßen oder gar größere Industriebetriebe. Christchurch wird hier übrigens ein wenig abwertend nur "the big city" genannt (obwohl es mit seinen 350.000 Einwohnern aus nicht-neuseeländischer Sicht ja auch nicht gerade eine Metropole ist); Und die Christchurcher selbst scheinen hier am Land etwa so beliebt zu sein wie bei uns die Wiener im Rest von Österreich...
Natürlich grasen und blöken auch hier abertausende Schafe. Wenn man (für ein Foto) stehenbleibt und sich dem Gatter nähert, kommen sie meist auch recht neugierig herbei.
Nach etwa 1,5h Autofahrt erreichen wir schließlich unser Ziel, das Akaroa Waterfront Motel. Dass wir eine halbe Stunde länger gebraucht haben, als eigentlich gedacht, haben wir Rosemaries Stoffwechsel zu verdanken. Bevor wir überhaupt aus der Big City heraußen sind, füllt das kleine Persönchen ihre Windel derart überbordend, dass wir nicht umhin kommen, auf dem nächsten Supermarktparkplatz stehenzubleiben und sie einem kompletten Kleidungswechsel zu unterziehen. So gründlich entleert und dann auch noch so ungemütlich am Vordersitz gewickelt, hat Rosemarie natürlich so viele Kalorien verbraucht (und verbrüllt), dass sie sich schwitzend vor Aufregung und Zorn erst einmal noch mindestens zwanzig Minuten an meiner Brust stärken und beruhigen muss. Diese Zeit nützen Rudolf und die Großen aber gut und besorgen für unser Frühstück am Tag darauf frische Croissants und Fruchtsaft.
Das Akaroa Waterfront Motel liegt, wie der Name schon sagt, direkt am Wasser und bietet einen unglaublich schönen Blick auf das Wasser und die Berge. Wir stehen am Balkon, lassen uns die warme Nachmittagssonne ins Gesicht scheinen, genießen die herrlich reine, leicht salzige Luft und können es uns beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir keine Woche später schon wieder zuhause im kalten Klosterneuburg sein werden.
Klara und Pauli sind natürlich nicht lange im Zimmer zu halten und gehen sofort auf Entdeckungstour rund ums Motel. Zwischen den Steinen, die durch die Ebbe freigegeben wurden (bei Flut reicht das Wasser bis an den Rand der kleinen Treppe), finden sie tatsächlich eine der wunderschönen grünschillernden Paua-Muscheln. Das ist natürlich ein großartiger Schatz!
Auf der Suche nach einem netten Lokal zum Abendessen spazieren wir durch die lieblichen Gäßchen, in denen viele reizende Häuser im Kolonialstil erhalten sind. Die Straßennamen sind übrigens Französisch; weiters findet man nicht den Butcher, sondern die Boucherie, nicht die Bakery, sondern die Boulangerie etc., an vielen Häusern flattert eine Tricolore. Ein Spleen der Bevölkerung? Mitnichten. Akaroa war im 18. Jahrhundert eine kleine französische Kolonie, von der aus die Franzosen versuchten, die Südinsel unter ihre Fittiche zu bringen. Dabei hatten sie gegen die Engländer keine Chance -- allerdings auch keine Lust, wieder so weit zurück nach Hause zu segeln. Sie blieben, geduldet von den Engländern, in Akaroa, versuchten sich im Walfang und drückten der Banks Peninsula einen französischen Stempel auf, der bis heute erhalten ist. Et, mon Dieu, die Einwohner von Akaroa sind sich dieses Legats durchaus bewußt und leben recht stolz den europäischen Chic (oder was sie sich darunter vorstellen). Ein Vorteil für alle Besucher ist jedenfalls, dass man (endlich) einmal richtig gute Cafés und Restaurants vorfindet. Wie im Mutterland Frankreich legt man hier nämlich, im Gegensatz zum Rest Neuseelands, wirklich Wert auf gutes Essen und Trinken. Im warmen Abendlicht sitzen wir also auf der Terrasse des "Ma Maison", erfreuen uns an Akaroa Salmon und Venison Burger und herrlichen Nachspeisen. Selbst der Kellner ist richtig französisch-unfreundlich und blasé! Wir fühlen uns sofort wie im Frankreich-Urlaub. Dass er uns nicht mag, ist von der Sekunde an offensichtlich, als wir das Lokal betreten. Der Maître ist neuseeländisch nett und zuvorkommend und weist uns einen schönen, sonnigen und windgeschützten Tisch zu. Der Kellner, der unsere Betreuung sodann vom Maître übernimmt, scheint dies aber als ziemliche Zumutung zu empfinden. Bei der Hauptspeisenbestellung kann er sich gerade noch zurückhalten; als ich dann aber die Nachspeisen bestelle, kann er seine Abscheu uns trampeligen Trampeln gegenüber aber nicht mehr verbergen. Auf der Nachspeisenkarte steht ein Schokoladenkuchen mit allerhand Firlefanz nebenbei, der als "Chocolate Tort" ausgepriesen wird. Mir sind das französische "Tarte", das englische "Tart" und natürlich das deutsche "Torte" geläufig -- das Wort "Tort" habe ich noch nie gehört. Aus dem heraus begehe ich den Fauxpas, eine "Chocolate Tart" zu bestellen. Der noble Kellner stellt sich taub und fragt (scheinheilig) nach: "Excuse me Ma'm?". Ich wiederhole die "Chocolate Tart" und wieder kann der Arme nicht und nicht verstehen, was ich meine. Nachdem ich zum vierten Mal "Chocolate Tart" gesagt hatte, läßt er sich schließlich dazu herab, dies Spielchen der Sprach-Macht zu beenden und sagt gönnerhaft und "überrascht": "Oh, you mean the Chocolate TOOOORT!" (wobei der Neuseeländer das "O" ganz pseudofranzösisch in die Länge zieht). Nun gut, ich kriege dann also meine Tooooooort, die, begleitet von Himbeersorbet und frischen Früchten ganz vorzüglich schmeckt und wir amüsieren uns noch köstlich über meinen gräßlichen Fehler.
Mit dem Gefühl, etwas richtig Gutes im Magen zu haben, unternehmen wir einen kleinen Verdauungsspaziergang unter der hinter den Vulkanhügeln verschwindenden Sonne. Es ist schon ein wenig kühl geworden und später schlafen wir himmlisch tief und fest, begleitet vom leisen Rauschen des Pazifik.
Am nächsten Morgen ist es leider nicht mehr ganz so sommerlich, sondern recht bewölkt, aber immer noch warm. Die Kinder spielen im Garten rund ums Motel und später nützen wir den Vormittag für einen Ausflug auf den Wochenmarkt.
An einem der Stände verkauft eine ältere Dame selbstgenähte Kleider für Mädchen aller Altersstufen -- richtig hübsche Unikate, die im Stil an die Puppe von Sarah Kay erinnern. Klara schleicht so lange mit bedeutungsvollen Seitenblicken (auf mich) um den Kleiderständer herum, bis ich auch endlich auf die schönen Stücke aufmerksam werde. Sie sucht sich ein besonders kesses rotes Kleid mit schwarzen Tupfen und Flamenco-artiger Rüsche aus und probiert es gleich an. Wie man an ihrem (und meinem) Blick sehen kann, ist das gleich ein Volltreffer. Wir können natürlich nicht anders, als das edle Stück zu kaufen. Auch die Verkäuferin ist ganz hingerissen, besonders als wir ihr erzählen, dass dieses Kleid in wenigen Tagen mit uns um die halbe Welt reisen wird. Sie drückt uns noch eine Visitenkarte in die Hand, und bittet darum, ihr ein Foto von Klara im Dress zukommen zu lassen. Kurioserweise hat sie ihr eigenes Modelabel "House of Amigo" genannt, was auf den ersten Blick so gar nichts mit den Kleidchen und deren Stil zu tun zu haben scheint. Es wäre interessant zu wissen, wie sie auf den Namen gekommen ist...
Rudolf, Pauli und Rosemarie sind inzwischen in Akaroa unterwegs und halten die französische Stimmung fotografisch fest. Wie man unten sieht, sind etliche Gebäude aus dem vorigen Jahrhundert erhalten (eine Seltenheit, wenn man Neuseelands Erdbebengeschichte bedenkt), und zumeist mit Tricolore-Wimpelketten geschmückt. Unten rechts, flankiert von großen Palmen, ist das örtliche Kriegerdenkmal zu sehen, das an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs erinnert. Interessant ist auch, dass wir an unserem vormittäglichen Ausflug in den Ort auf wahre Menschenmassen treffen. In dichtgedrängten Kolonnen schieben sich die Touristen durch die oft schmalen Gäßchen. Wir sind mehr als überrascht! So viele Menschen sieht man im dünnbesiedelten Neuseeland selten auf einmal. Selbst in der Christchurcher Stoßzeit ist weniger los als ausgerechnet im Hafenstädtchen Akaroa. Bald wird klar, dass es sich hauptsächlich um US-Amerikaner handeln muss, die hier die Souvenirläden stürmen und vor jedem ("uralten") Gebäude stolz für Fotos posieren. Wir rätseln, wie sich so viele tausend Amis gleichzeitig in dieses entlegene Fleckchen Erde verirren konnten. Viel später am Tag, während unserer Hafenrundfahrt nämlich, erhalten wir die Antwort auf diese Frage: Die "Diamond Princess", ein riesiges Kreuzfahrtschiff, ist vor Akaroa vor Anker gegangen und hat diese Menschenmassen ausgespien (und wenig später auch wieder eingesammelt -- auch das war nämlich so überraschend: So schnell wie sie gekommen waren, waren sie auch alle wieder weg!). Bis zum großen Erdbeben am 22.2.2011 steuerten die Kreuzfahrtschiffe übrigens direkt den Hafen von Christchurch oder Lyttleton an; Da die Hafenanlagen dort aber weitgehend zerstört wurden, müssen die dicken Brummer vor Akaroa ankern.
Am frühen Nachmittag erwartet uns das große Highlight des Tages: Eine "Dolphin-Watching" Hafenrundfahrt bis an den Rand des offenen Pazifik. Die Kinder sind, wie zu erwarten war, sehr aufgeregt und rätseln, ob wir neben den versprochenen Delfinen wohl auch noch Piraten sehen werden. Ein als eine Art Samurai verkleideter (?) älterer Mann, der neben uns am Quai entlang flaniert, wird sogleich als Pirat identifiziert und aufmerksam beobachtet. Die Erleichterung ist groß, als er dann aber nicht zu uns aufs Ausflugsboot der "Black Cat Cruises" (unten rechts im Bild) steigt. Dafür sind unsere Mitpassagiere aber großteils eine Gruppe asiatischer Austauschstudenten, die in weinroten University of Canterbury Sweatshirts kichernd und schnatternd das Schiff entern. Ihre gute Laune wird sich im Laufe der Schifffahrt noch ziemlich drastisch verschlechtern...
Die asiatischen Studenten haben zwar in Blitzeseile alle guten Aussichtssitze am "Oberdeck" besetzt, wir finden aber noch ein gutes, windgeschütztes Fleckchen, von dem aus man auch einen perfekten Blick über die perfekte Schönheit der Vulkanhügel und des Meeres hat. Nun sind wir übrigens ganz froh über die Bewölkung. Auf dem Schiff findet sich kaum ein Schattenplatz, und die ohnehin schon so hohe UV-Strahlung hier, noch potenziert durch die Reflexion des Wassers, hätte uns vermutlich gegrillt. Bislang haben wir es nämlich dank gutem Schutz und einem ganz bewußten Schattendasein geschafft, Sonnenbrandfrei zu sein -- und das soll auch so bleiben!
Kurz nachdem wir losgefahren sind, zieht ein Schwarm Kormorane majestätisch an uns vorüber.
Am Boot geht es unterdessen turbulent zu. Im Hintergrund sieht man deutlich die asiatische Studentengruppe, die es während der Fahrt kaum auf ihren Sitzen hält. Links, rechts, treppauf, treppab... sie bringen recht viel Unruhe in die ansonsten so ruhige und beschauliche Stimmung. Einen Vorteil hat es aber: So werden ständig neue gute Sitzplätze am Aussichtsdeck frei und im Endeffekt haben wir dann die freie Wahl -- je nachdem, auf welcher Seite des Boots es gerade etwas zu sehen gibt.
Fearless Kiwi Sheep: So steil können Weiden gar nicht sein, dass sich nicht doch noch ein paar Schafe an ihren Hängen festkrallen und sich die pazifiksaftigen Gräselein holen.
Schließlich passieren wir die riesige "Diamond Princess". Wenn man sich diese vielen vielen kleinen Kajütenfensterchen ansieht, kann man sich vorstellen, was das für so ein kleines, verschlafenes Dörfchen wie Akaroa bedeutet, wenn die Passagiere dieses Dampfers alle mehr oder weniger gleichzeitig an Land gehen. Wie oben beschrieben, wohnen im gesamten Akaroa Harbour Gebiet ja lediglich 1.000 Menschen. Auf der Homepage der Diamond Princess habe ich nachgelesen, dass sie dafür über eine Kapazität von 2.700 Gästen und 1.100 Crewmitgliedern verfügt...
Kurz darauf rast ein Speedboot an uns vorbei. Auch vom Speedboat aus kann man eine Hafenbesichtigung machen, Delfin-Watching inklusive. Eher ein Angebot für die ganz Eiligen, finden wir. Bei dem hohen Tempo des Bootes läuft wohl eher das eigene Leben im Schnelldurchlauf vor den Augen der Passagiere ab, denn die schöne Landschaft der Peninsula. Und falls man im falschen Moment blinzeln sollte, ist man an den Delfinen wohl auch vorbeigerauscht. Gelegenheit, den Fotoapparat zu zücken, gibt es wahrscheinlich auch wenig -- die armen Passagiere werden in ihren Schwimmwesten dermaßen durchgeschüttelt, dabei von der Geschwindigkeit in die Sitze gepresst und permanent mit eisiger Gischt geduscht (das Wasser hat etwa 16°). Naja, das muss man mögen, sind Rudolf und ich uns einig und lehnen uns entspannt in unseren Sitzen zurück, während wir eines der schönsten Flecken Erde langsam und beschaulich an uns vorüberziehen lassen.
Im Naturhafen von Akaroa leben die kleinsten Delfine der Welt, die Hektor-Delfine. Diese sehen zwar so aus wie ihre "großen" Verwandten, werden aber nur etwa 1,5m lang und 50kg schwer. Sie kommen ausschließlich in den Gewässern rund um Neuseeland vor und fühlen sich speziell im etwas wärmeren, geschützten Gewässer des Naturhafens wohl, wo sie sich gerne zur Paarung und Geburt des Nachwuchses aufhalten. Eine Hektor-Delfinkuh bekommt ein (selten zwei) Kälbchen pro Jahr, das dann seine ersten beiden Lebensjahre ganz nah an der Mutter verbringt. Wenn man also ein Delfin-Zwiegespann schwimmen sieht, handelt es sich dabei dann meist um Mutter und Kind. Bei der Geburt sind die kleinen Rackerchen ungefähr so groß wie ein Rugby-Ball und wiegen etwa 9kg. Die Hektor-Delfine sind lustige, gesellige und verspielte Kerle. Ihre liebsten Hobbys sind fressen und spielen. Ein Lieblingsspiel ist es beispielsweise, sich in der Gischt und der Strömung von Schiffen treiben zu lassen -- was auch der Grund ist, warum die Delfine so nah an die Schiffe herankommen. Der Fremdenführer erklärt uns, dass es etwa mit dem Spaß vergleichbar ist, den wir haben, wenn wir uns mit der Luftmatratze in wilde Wellen stürzen.
Kurz bevor wir das sichere Hafenbecken verlassen, sehen wir in der Ferne die ersten Delfinflossen aus dem Wasser ragen (ich fürchte, am Foto unten sind sie einfach zu klein und nicht zu erkennen...). An dieser Stelle warnt uns übrigens auch der Kapitän: Der offene Ozean ist natürlich wesentlich rauer als das (fast) Binnengewässer des Hafenbeckens, es weht ein recht kräftiger Wind und wir können einiges an Bewegung, also hohen Wellengang, erwarten. Er bittet die Passagiere, auf den Plätzen sitzen zu bleiben, sich festzuhalten und bei Übelkeit nicht über die Reling zu speien, da der Wind in der Regel recht gründlich dabei mithilft, das Erbrochene über das ganze Schiff zu verteilen. Letzteres spricht er mit der typischen neuseeländischen Ernsthaftigkeit, die wenig Ironie kennt. Es ist wohl so, er sagt es deshalb so und er meint es auch so. Was soll daran schon lustig sein? Diejenigen, denen auch beim Autofahren schlecht wird, mögen sich jedenfalls nach unten begeben, in den hinteren Teil des Schiffs. Dort ist die Bewegung des Schiffs am wenigsten spürbar. Falls benötigt, werden auch Säckchen ausgeteilt.
Uns ist der Wellengang jedenfalls herzlich egal, als plötzlich -- unter aufgeregten Schreien aller Passagiere -- die ersten Delfinschwärme direkt neben unserem Schiff auftauchen. Springen, abtauchen, wieder an die Oberfläche kommen. Die Freude und Begeisterung sind grenzenlos!
Während wir oben an Deck enthusiastisch die Delfine beobachten, fotografieren und aus dem Staunen nicht herauskommen, ist die Fahrt für die vormals noch so fröhlichen asiatischen Studenten zum Horrortrip geworden. Die vorher an den Tag gelegte Unruhe ist vergessen, die armen jungen Burschen und Mädels vegetieren mit käsigen Gesichtern im Untergeschoss des Schiffes vor sich hin.
Nachdem wir von Bord gegangen sind, spazieren wir durch den Ort, kaufen noch ein paar Souvenirs und setzen uns schließlich in ein nettes Bistro, um eine Kleinigkeit zu essen. Ich bestelle "Escargots", also Weinbergschnecken, in Kräuterbutter, mit herrlich würzigem Brot. Die Kinder sind unheimlich begraust, Rudolf aber so sportlich, zumindest eine zu kosten. Nach einiger Beobachtung wagt Klara es schließlich, einmal ihr Brot in meine Kräuterbutter einzutauchen, was ihr dann richtig gut schmeckt. Pauli versteckt sich hinter seinen Chips und kann das alles kaum fassen.
Im Anschluss spazieren wir zurück zum Motel, wo Rudolf und Rosemarie sich für ein Schläfchen zurückziehen, während die Großen und ich zum (natürlich großartigen) Spielplatz pilgern, der direkt neben dem Strand liegt. Ich lasse mich auf einem Bänkchen nieder, lese, und beobachte hie und da Klara und Pauli, die bereits wie echte Kiwi Kids ohne Furcht und Tadel auf den oft recht waghalsigen Gerüsten herumklettern.
Zum Abendessen gibt's schließlich Fish&Chips im Motel und danach einen (sehr notwendigen!) Verdauungsspaziergang. Klara kommt mir entgegen und balanciert eine große Klette auf ihrer Hand, die sich auf einmal bewegt und als Igelchen entpuppt. Wir setzen ihn vorsichtig dort ab, wo die Kinder ihn gefunden haben. Igel sind mit den englischen Siedlern nach Neuseeland gekommen, deren Wunsch es war, auf diesen entlegenen Inseln im Pazifik eine Reproduktion der englischen Flora und Fauna zu schaffen. Sie brachten allerhand Tier- und Pflanzenarten mit, die teilweise das heimische Ökosystem nachhaltig zerstörten. Ach, hätte es doch damals nur eine Biosecurity Staffel gegeben! Die bei uns so beliebten, possierlichen Igel werden in Neuseeland als Schädlinge betrachtet, die sich außerdem mangels natürlicher Feinde noch dazu ungehindert vermehren können und räuberisch die natürliche Ordnung durcheinanderbringen. Während wir also verzückt den Igel beobachten und fotografieren, kommen Neuseeländer vorbei, die abschätzig befinden: "oh it's a hedgehog... bloody beasts". (wobei das in etwa so klingt: "oh it's a hiiiiiiedsch-hooog.... blääädi bääääästs")
Mittlerweile haben die Wolken aufgerissen und pünktlich zum Sonnenuntergang kommt der blaurote Abendhimmel zum Vorschein. Der Ort ist wie ausgestorben; die Touristenmassen vom Vormittag vergessen. Abendstille überall. Nur im Tahal die Na-hachtigall. Nein, Enten, Kormorane und Möwen, die sich aber auch schon zum Schlafen bereit machen. Wir drehen eine geruhsame Runde am Strand und durch die Hauptstraße und nutzen die Zeit, über unseren Aufenthalt und all die Abenteuer, die wir bisher erlebt haben, zu reminiszieren. Die Kinder merken von unserer Wehmut nichts, laufen juchzend und kreischend voraus und genießen das Leben. Wir fragen uns, ob sie sich diese Unbefangenheit und Freiheit zuhause wohl erhalten werden können? Wir wünschen es uns. Denn eigentlich sollten Kinder genauso aufwachsen dürfen: Wertgeschätzt von der Gesellschaft, und dabei und dadurch frei und selbstbewußt.
Zurück im Motel zieht Klara sich gleich das neue Kleid an. Pauli, ganz Gentleman (im Pyjama), bittet seine hübsche Schwester gleich zu einem flotten Tänzchen und so drehen sie sich ausgelassen im Kreis, bis dann schließlich doch das Sandmännchen kommt. Nur mehr drei Mal schlafen -- und wir treten die Rückreise an. Kaum zu glauben...
Der sonntägliche Morgenhimmel wirkt wie reingewaschen; tatsächlich scheint es in der Nacht noch ein wenig geregnet zu haben. Wir packen zusammen, checken aus und machen uns auf die Fahrt zurück Richtung Christchurch, wo wir dann den Rest des Sonntags im Botanischen Garten verbringen wollen. Was wir dabei dann Schönes erlebt haben, davon will ich euch im nächsten Beitrag berichten.