Estado de Alarma in Barcelona
Bilder sagen oft mehr als tausend Worte (und das sag ich: Die ja normalerweise mehreren tausend Worten nicht abgeneigt ist, wie Rudolf sicher auch leidvoll berichten könnte...). Deshalb zeige ich euch heute ein paar Impressionen von Barcelona im Alarmzustand. Alle wurden innerhalb unseres erlaubten Bewegungsradius von maximal 1km um unsere Wohnung aufgenommen. Ganz unten findet ihr noch einen Link zur wunderschönen, aber gleichzeitig so traurigen Fotogalerie der deutschen Barcelona-Seite Barcelonalemany, die seit einigen Wochen ihre Leser auffordert, Impressionen des menschenleeren Barcelonas einzuschicken.
Schlaff und traurig hängen sie da, die Flaggen vor dem Nobel-Sportklub "Polo Club Real" bei uns ums Eck. Wo sich normalerweise die betuchteren Barcelonesen zu Polo-, Tennis-, oder Padel-Partien treffen, sind die Tore mit schweren Ketten verhängt. Dieser Anblick gehört aber noch lange nicht zu den traurigsten dieser Krise, wie ihr sehen werdet.
Das kleine Lebensmittelgeschäft "Alimentació Monica" hat seinen Eingang komplett verbarrikadiert. "Der Eintritt in dieses Geschäftslokal ist verboten" -- telefonische Bestellungen und Abholung im Geschäft wird momentan präferiert. Laufkunden können durch die offene Tür ins Geschäft hineinrufen, wo sich Monica und ihr Mann verschanzt haben.
Blick in die Auslage des 24h-Greißlers "Cardenal Super". Normalerweise werden hier (wie die Auslagengestaltung eh vermuten lässt) hauptsächlich Spirituosen, gekühltes Bier und Naschereien gekauft (meistens von Besuchern des Camp Nou an Matchtagen). Neue Zeiten bedürfen einer Änderung des Sortiments: Jetzt führt man auch Masken, Handschuhe, Backpulver und Desinfektionsgel. Fehlt nur noch Germ und Klopapier!
In unsere Lieblingsbäckerei darf man momentan nur einzeln eintreten -- ein Schild vor der Tür weist darauf hin, dass man bitte draußen eine Schlange bilden möge.
In die etwas größere Konditorei neben der Kirche bei uns ums Eck, wo normalerweise jedes Tischchen innen wie außen besetzt ist, darf man zumindest zu zweit eintreten. Mit den Stühlen hat man sich eine kleine Barrikade zur Verkaufstheke hin gebaut. In Spanien gehört der Frühstückskaffee im Kaffeehaus zum beliebten täglichen Ritual -- so mancher will sich das auch in Coronazeiten nicht nehmen lassen, so wie der Señor unten rechts im Bild, der seinen "Cortado" (Espresso) im Einwegbecher mitgenommen hat und vor dem Lokal im Stehen trinkt. Vor jedem Schluck zieht er sich die Maske kurz herunter, setzt sie dann aber gleich wieder auf. Normales, wiederverwendbares Kaffeegeschirr ist momentan auch nicht erlaubt.
Andere Kaffeehausbetreiber machen sich während des Estado de Alarma gar nicht erst die Mühe, aufzusperren -- und nützen stattdessen die Zeit ganz optimistisch für Renovierungsarbeiten, wie der Zettel links unten neben der Cafeteria Ristretto ankündigt. "Aufgrund von Renovierung geschlossen -- entschuldigen Sie die Umstände".
An die Wand des gemütlichen kleinen Puzzle Cafe in unserer Straße (wo man übrigens auch wirklich sehr gut essen kann; welches Gericht besonders hervorsticht, werdet ihr gleich lesen), haben Stammkunden Nachrichten (in katalanisch) an die Puzzle-Crew geklebt. "Wir vermissen euch" (gelbes Herz), "Inès, ich vermisse Dich! Wir wollen ein paar Biere! Und Bratkartoffeln, bitte!" (großer, weißer Zettel), "Wir vermissen eure Bratkartoffeln!" (rosa Zettel), "Francesca, ich vermisse dich auch sehr, ich brauche meine Puzzle-Zeit! Bratkartoffeln und Bier mit dir! Jetzt, bitte!" (karierter Zettel).
Der Eingang zum Diskonter Mercadona wird von einem Mercadona-Mitarbeiter bewacht. Jeder, der das Geschäft betreten will, bekommt einen Spritzer Desinfektionsmittel auf die Hände, sowie ein paar Handschuhe überreicht. Erst, wenn man die Hände gründlich desinfiziert und danach die Handschuhe übergewurschtelt hat, darf man ins Geschäft eintreten. Funktioniert übrigens herrlich, diese Einweg-Plastikhandschuhe über die vom Desinfektionsmittel feucht-klebrigen Hände drüberzuziehen... das schwitzig-dunstig-juckige Gefühl, dass sich sodann während des Einkaufens unter der Plastikhülle breitmacht, ist auch ein Erlebnis für sich. Auch eine Geschicklichkeitschallenge: Das Herausziehen der Bankomatkarte aus dem engen Fach in der Geldbörse, mit den rutschigen Handschuhen. Naja, wenn's gesund ist...
Schlange stehen, brav maskiert und teilweise auch behandschuht -- vor der Apotheke (gerade wenig Andrang), sowie vor der Hendlbraterei "La Martina", die wirklich köstliche Grillhendl zum Mitnehmen anbietet. Die Schlange vor der Martina war mehrere hundert Meter lang -- ich sag nur: "Muttertag"! Weil aufgrund des Estado de Alarma niemand das Mütterlein ins Wirtshaus ausführen konnte, wurden offenbar wirklich restlos alle Mütter des Grätzels mit Martinas Henderl verwöhnt. So auch ich! Mein Glück war nur, dass unser Muttertag eine Woche nach dem spanischen Muttertag (3.5.) gefeiert wurde. Am spanischen Muttertag hatte sich Rudolf mit den Mädels fast eine Stunde angestellt, nur um dann die Info zu bekommen, dass man aufgrund des Andrangs die Hendln nur auf Vorbestellung rausgeben würde. (Spaghetti mit Pesto aus dem Glas retteten dann schließlich das Sonntagsmenü).
Einsam und verlassen: Das 4**** Hotel Senator Spa Barcelona, das am 18.3. seine Pforten dicht machen musste. Alle Türen und Fenster sind verhängt. Der Springbrunnen, der normalerweise jeden Tag von 9h30 bis 22h sprudelt und plätschert, hat schon dickes, grünes Moos und Algen angesetzt. Die wilden Katzen, die sich normalerweise auf dem Vordach des Hotels sonnen und das Gebüsch rundherum bewohnen, liegen nun sehr oft gemütlich am Springbrunnenrand und nehmen immer wieder einen Schluck vom brackigen Brunnenwasser. Die kleine graue Katze unten rechts haben die Kinder "Graustreif" genannt -- Rosemarie will versuchen, sie anzulocken und einzufangen, damit Graustreif bei uns wohnen kann. Bis jetzt leider erfolglos.
Die Tageszeitungen von heute (14.5.2020) warnen vor der Zerstörung der Wirtschaft durch die Pandemie.
El Periódico: "ARMUT BRICHT HEREIN: tausende spanische Familien suchen erstmals um staatliche Stütze an. Die karitativen Lebensmitteltafeln verzeichnen 40% mehr Ansturm."
La Vanguardia: "Brüssel lanciert einen Plan, um den Sommer doch noch zu retten"
Sport: "Barça-Belegschaft ist beunruhigt über die Dauer des Alarmzustands. Die physische Vorbereitung ohne Freundschaftsspiele, sowie die Austragung von Spielen ohne Publikum stellt eine echte Strafe dar."
An jedem Haus, an Litfaßsäulen, vor Geschäften und an Bushaltestellen kleben diese Aufrufe der Stadtverwaltung um Nachbarschaftshilfe:
"Nachbar, Nachbarin, kannst du uns helfen? Schütze die Personen, die in deiner Nachbarschaft leben, vor Covid-19.
1) Schütze dich selbst, um die zu schützen, die mit dir leben. (Befolge Hygienevorschriften, vermeide körperlichen Kontakt, und wenn du Symptome zeigst, oder zu einer Risikogruppe gehörst, bleib bitte zuhause)
2) Es gibt viele Möglichkeiten, jemandem Gesellschaft zu leisten. (Kommuniziere mit älteren und einsamen Menschen, damit sie sich nicht allein fühlen müssen. Ruf sie an oder sprich mit ihnen unter Einhaltung von 2m Sicherheitsabstand)
3) Hilf denjenigen, die nicht aus dem Haus gehen können. (Nutze deine lebensnotwendigen Wege um auch diejenigen zu versorgen, die nicht aus dem Haus gehen können)"
Auch ein trauriger Anblick: Die zahlreichen und zumeist wirklich sehr schön ausgestatteten und gepflegten Spielplätze in der Stadt sind alle gesperrt. Wo normalerweise bis spät abends die spanischen Kinder toben, kreischen und fröhlich spielen, weisen Informationsblätter der Stadtverwaltung auf die Notwendigkeit der Spielplatzsperren aufgrund von hoher Ansteckungsgefahr hin. Absperrbänder sind so platziert, dass man die Spielgeräte nicht doch heimlich nützen kann.
Auch viele Parkanlagen sind für die Öffentlichkeit gesperrt -- wie hier unten der botanische Garten des Parc Cervantes. Die Sinnhaftigkeit dieser Sperren erschließt sich mir nicht -- gerade in der dicht besiedelten Großstadt wäre es sicher nicht die schlechteste Idee, die Bevölkerung auf möglichst viele Grünflächen aufzuteilen, damit jeder ein wenig frische Luft im ausreichenden Sicherheitsabstand genießen kann. A propos frische Luft...
...die deutliche Reduktion des Auto-, sowie Flug- und Kreuzfahrtverkehrs in und über Barcelona macht sich in wirklich spürbar besserer Luft bemerkbar. Hier unten Bilder von der Hauptverkehrsader "Diagonal", die normalerweise zu jeder Tages- und Nachtzeit extrem dicht befahren ist. Zu Stoßzeiten ist hier zumeist nur Schritttempo möglich. Die Fotos unten habe ich letzten Sonntag aufgenommen -- die Fußgängerampel zu benutzen, könnte man sich eigentlich sparen. Im Prinzip wäre es sogar möglich, gleich mitten auf der Straße zu spazieren.
"Danke, dass Du zuhause bleibst" spricht die Anzeigetafel, auf der man normalerweise Staumeldungen ablesen kann, freundlich.
So nah und doch so fern... unser Garten und Tischtennisraum! Hinten sieht man den Pool blitzblau in der Sonne locken... bei den teilweise wirklich hochsommerlichen Temperaturen momentan könnten wir ihn schon richtig herrlich nutzen. Aus Sicherheitsgründen ist unser Garten, samt Pool, Spielplatz, Basketballplatz und Tischtennisraum leider gesperrt.
Hinweis am schwarzen Brett unten im Foyer unseres Hauses: "Die Hausbewohner werden momentan -- mehr denn je -- gebeten, auf die Sauberkeit der Gemeinschaftsbereiche zu achten (auch in den Lichthöfen an den Geländern, wo man die Wäsche aufhängt), und nichts auf den Treppenabsätzen und Gemeinschaftsbereichen stehen zu lassen. Man darf auch keinen Schmutz, Pflanzen, Zigarettenstummel, etc. von den Balkonen oder aus den Fenstern auf die Straße, in den Garten oder auf die Terrassen werfen.* Um die Sicherheit von allen zu gewährleisten, werden alle gebeten, den Personen- sowie den Lastenaufzug nur einzeln oder mit Familienmitgliedern zu benutzen."
*davon wäre ich auch ohne Estado de Alarma ausgegangen -- aber gut, dass es jetzt geklärt wurde. So wohnt halt jeder Krise auch eine Chance inne!
Die Natur lässt sich von der Pandemie jedenfalls nicht beeindrucken -- Barcelona verwöhnt uns bei unseren täglichen Spaziergängen mit wunderschöner Blumenpracht...
Uralte Olivenbäume, die momentan in voller Blüte stehen.
Hier noch der Link zur Fotogalerie mit weiteren Impressionen der menschenleeren Stadt. Plätze, die man nur dichtbevölkert kennt, sind wie leergefegt: FOTOGALERIE VON BARCELONALEMANY