Es wird ernst: Wohnungssuche in einem fernen Land (Teil II)
Nachdem ich also diverse Cyber-Angriffe und Betrugsversuche in der Vorbereitung unserer Wohnungsbesichtigungstour erfolgreich abgewehrt hatte (siehe auch „Wohnungssuche in einem fernen Land Teil I“), hatte ich eine Liste von 10 schönen Wohnungen aufgestellt, die alle im Großen und Ganzen unseren Vorstellungen entsprachen – zumindest einmal auf dem Papier, bzw. auf dem Bildschirm. Weil der Schein aber trügen kann, machen Rudolf und ich uns am 27.5.2019 frühmorgens auf die Reise nach Barcelona, um die Shortlist der Top 10 persönlich unter die Lupe zu nehmen und hoffentlich die eine ganz besondere Wohnung zu finden, die dann schlussendlich unser Heim für ein Jahr werden sollte.
Die Aufregung ist groß, die Vorfreude auch.
Unser erster Weg führt uns nach Pedralbes, einen sehr noblen Teil von Les Corts. Herrschaftliche Häuser, viele mit Gärten, Pool und Conserje, breite, helle, saubere Straßen, nette Boutiquen, Restaurants und Cafés. Die Lage gleich hinter der Avinguda Diagonal und unterhalb des Hausbergs Tibidabo ist auch sehr günstig – man ist mit dem Auto und den Öffis in alle Richtungen gut angebunden, aber trotzdem am Busen der Natur. Als wir uns der Adresse nähern, stelle ich gleich einmal zufrieden fest, dass es mir hier sehr gut gefällt. Die betreuende Agentur hat schon im Vorfeld durch professionelle, rasche Kommunikation einen guten Eindruck gemacht. Da die Wohnung noch bewohnt ist, ist die Terminfindung allerdings nicht ganz einfach gewesen. Die angepeilte Uhrzeit wird mehrmals verschoben, weil der Mieter nicht zuhause ist, dann aber schon, dann ist es die Zeit des Mittagsschlafs der Kinder, dann hat er wieder eine andere Verpflichtung. Nach langem Hin und Her wird endlich ein Termin fixiert und wir treffen die Maklerin Mercè um 13h unten an der Straße vor dem Haus. Sie hat einen Airpod im Ohr und ein Klemmbrett unter dem Arm und strahlt maklerische Geschäftigkeit aus. Als wir die Hausanlage betreten, weist sie uns gleich auf den Garten hin (wunderschön blühende Blumen, sehr gepflegte Anlage, sogar mit Pool!) und auf die Conserje-Loge im Foyer, die zu dem Zeitpunkt allerdings gerade leer ist. Das Haus hat nach außen hin nur einen Eingang, innen aber zwei voneinander getrennte Stiegen, d.h. man kommt nicht mit jedem der beiden Lifte zu allen Wohnungen. Mercé erklärt uns, dass die Wohnung auf Stiege 1, im 4. Stock liegt. Wir müssen also den Lift mit der Nr. 1 nehmen. Oben angekommen, läutet Mercé an, ohne den Informationsfluss an uns auch nur eine Sekunde lang versiegen zu lassen. Ohne einmal Luft zu holen, redet sie über die Vorzüge der Gegend, die guten Schulen, Sportanlagen, Einkaufsmöglichkeiten, das tolle Haus, den sympathischen Conserje – noch bevor wir die Wohnung betreten haben, sind wir begeistert. Was wird uns wohl in der Wohnung erwarten? Tja, die Frage wird so schnell nicht beantwortet, es öffnet nämlich niemand. Mercé läutet noch einmal. Dann noch einmal, länger. Nachdem sie noch einmal so richtig Sturm geläutet hat, meint sie, dass sie sich wohl in den Unterlagen vertan hätte und die Wohnung vielleicht doch auf Stiege 2 sei. Wir seien schließlich die ersten, denen sie die Wohnung zeigt. Gut, wir rufen also Lift 1, fahren wieder runter, steigen unten in Lift 2 und fahren wieder in den 4. Stock. Die Stiegen gleichen einander übrigens wie ein Ei dem anderen, wir stehen also vor exakt der gleichen Türe wie zuvor. Mercé läutet wieder, während sie munter weiterquasselt. Nur – es macht wieder niemand auf. Nach mehrmaligem Sturmläuten, greift Mercé zum Handy und ruft den Mieter an, der allerdings nicht abhebt. Sodann ruft sie in der Agentur an, wo ihr die Uhrzeit und die Adresse auch noch einmal bestätigt werden. Kein Zweifel, die Wohnung ist, wie ursprünglich angenommen, auf Stiege 1, die so oft verschobene Uhrzeit passt auch. Gut, wir fahren also wieder mit Lift 2 ins Erdgeschoß, steigen um in Lift 1 und fahren noch einmal in den 4. Stock, wo wir vor derselben Türe wie zuvor stehen und Mercé nun gleich von Anfang an Sturm läutet. Als wieder niemand öffnet, greift sie noch einmal zum Handy und ruft den Mieter an. Das darf ja wohl nicht wahr sein! Da – deutlich zu hören, läutet hinter der Türe ein Handy! Mercé sieht rot, und drückt den Klingelknopf mit derartiger Verve in die Wand hinein, dass sich ihre Fingerkuppe weißlichgelblila verfärbt. Durchgehend schrillt die Klingel wie eine Sirene, bis plötzlich: Die Türe aufgeht! Ein verschlafener Chinese in Unterhose steht vor uns und sieht uns vollkommen entgeistert an. „Was wollt ihr hier?“ stammelt er und fährt sich mit der Hand durch seinen Bed-Head. Mercé erläutert wenig freundlich, dass wir da seien, um die Wohnung zu besichtigen und der Termin ja wohl mit ihm abgestimmt gewesen sei. Er scheint sich daran zu erinnern und lässt uns eintreten. Mercé geht gleich wieder in den bereits bekannten maklerischen Geschäftigkeitsmodus über und beginnt, wie aufgezogen, die Vorzüge der Wohnung anzupreisen. Wir treten in den Flur, von dem gleich das Wohnzimmer abgeht. Mercé stürmt quasselnd voraus und – verstummt. Drinnen sitzt der verschlafene Chinese wie ein Häufchen Elend (immer noch in Unterhose) auf der Couch, genauer gesagt auf dem winzigen Fleckchen der Couch, das er freischaufeln konnte, inmitten von Bergen an Unordnung. Spielsachen, Kleidung, Essensreste, Joghurtbecher, DVDs, Bücher… sind im ganzen Raum und am Boden verstreut und belegen jede freie Fläche. „Die Familie hat kleine Kinder“, presst Mercé, nun gar nicht mehr so redselig, zwischen den Zähnen hervor. „Ach, ja, ich weiß wie das ist, wir haben selbst auch drei!“ antworte ich höflich und denke mir insgeheim und nicht ohne Freude: Unfassbar, dass es Menschen gibt, bei denen eine noch größere Wirtschaft herrscht, als bei uns!
Mercé präsentiert uns wortkarg das Schlafzimmer, das einer Schmutzwäschedeponie gleicht, das nicht viel ordentlichere Kinderzimmer und die Küche, in der mehrere volle Müllsäcke gestapelt stehen. Zwischen den Müllsäcken steht die Waschmaschine, auf deren Deckel sich bereits Stalagmiten von blaugrünen Flüssigwaschmitteltropfen gebildet haben. – ich versuche, euch dieses Naturschauspiel zu erklären: Jedes Mal, wenn Flüssigwaschmittel in den Waschmittelbehälter eingefüllt wird, scheint danach ein Tropfen daneben zu gehen. Dieser wird dann aber nicht einfach und unkompliziert weggewischt, sondern an Ort und Stelle gelassen, wo er dann vertrocknet. Im Zeitverlauf bilden sich dann daraus wahre Tropfenpyramiden.
Grundsätzlich ist die Wohnung – eh nett. Ganz gut aufgeteilt, mit einem hellen Wohnzimmer und einem großen Balkon (zumindest lässt sich dieser erahnen hinter all den Kisten und Koffern und sonstigem Sperrmüll, der draußen gestapelt wurde). Mercé unternimmt einige Versuche, uns noch einmal ins Boot zu holen, meint dann aber selbst: „ihr werdet wohl kein Interesse haben, oder?“. Ehrlich gesagt, nein. Klar, wenn der ganze Saustall erst einmal draußen ist, man die Wohnung sodann mit dem eigenen Saustall zu füllen beginnt, kann es schon sein, dass sich das dann auch schnell wie ein echtes, schönes Zuhause anfühlt. Allerdings – die zweite Chance auf den ersten Eindruck wollten und konnten wir der schmutzigen Bude nicht geben. Die Erinnerung an die offen herumliegenden gebrauchten Windeln und getragenen Unterhosen würde wohl für immer bleiben. Ich bin ja selbst schon ziemlich oft umgezogen und musste jedesmal feststellen, wie wichtig das Bauchgefühl beim ersten Betreten einer Wohnung ist. Bei allen rationalen Parametern nach denen man die Wohnung überhaupt einmal zur Besichtigung ausgewählt hat – die Entscheidung, ob diese ein „Heim“ werden kann, fällt innerhalb von Sekunden nach Betreten.
Also, die erste Besichtigung: War gleich einmal ein Griff in einen Haufen Unrat. Aber davon lassen wir uns nicht entmutigen! Noch haben wir ja neun weitere Wohnungen auf unserer Liste. Die nächste liegt zufälligerweise gleich im Haus nebenan – das war uns bei der Terminvereinbarung gar nicht so bewusst, weil die Adressen unterschiedlich sind. Die Häuser machen zusammen einen ganzen Block aus, werden also von vier Straßen eingegrenzt. Das eine Haus trägt die Adresse der Straße hinten, das andere die Adresse der Straße vorne. Die Maklerin Carolina erwartet uns schon. So wie sein Blocknachbar, hat auch dieses Haus einen schönen Garten und Pool und wirkt von außen recht herrschaftlich. Carolina erklärt uns, dass die Wohnung einer älteren Dame gehöre, die schon lange nichts mehr daran gerichtet habe – von daher auch der günstigere Preis (im Vergleich zu den anderen Wohnungen in der Gegend, ist diese nämlich wirklich erstaunlich preiswert). Es gäbe also ein, zwei Kleinigkeiten, die man vielleicht vor dem Einzug noch herrichten wolle – aber nicht der Rede wert! „Ja“, zeigen wir uns verständnisvoll, „das macht ja nichts…“ Erwartungsvoll betreten wir die Wohnung. Da offenbart sich auch sofort die erste Kleinigkeit, die zu richten wäre: Die Terrassentür. Diese hängt halb aus den Angeln und wurde mit dickem, silbernen Isolierband an den Türrahmen geklebt. Zum Glück gibt es noch eine zweite Türe, durch die man den Balkon betreten kann, vom Schlafzimmer aus. Carolina preist den – tatsächlich wunderschönen – Ausblick hinauf auf den Tibidabo. Man ist mitten in der Stadt und sieht ins saftige Grün, das ist natürlich toll. Ich kann den Ausblick allerdings grad nicht so genießen, weil ich versuche, dem sehr niedrigen und etwas baufällig wirkenden Balkongeländer nicht zu nahe zu kommen. Ob das wohl drei Kindern standhalten würde? Ich bin mir da nicht so sicher. Nun, da haben wir also die zweite Kleinigkeit, die man vielleicht reparieren sollte! Die in der Anzeige angepriesene „gemütliche, familiäre Möblierung“ entpuppt sich als durchgesessenes Sofa, sowie zwei Bettgestelle mit fleckigen Matratzen und ein paar zufällig zusammengetragene Kästchen und Regale. Der Versuch, mit Kuscheltieren in einem der Räume eine heimelige Kinderzimmeratmosphäre herzustellen, ist anzuerkennen, aber leider deshalb auch nicht erfolgreicher.
Carolina verfolgt uns durch alle Räume und beobachtet uns wie ein Haftelmacher. Rudolf macht Fotos von der Misere und ich versuche, Carolinas ermunterndes Lächeln zu entgegen, wobei es mir zunehmend schwerer fällt, das maskenhafte Grinsen ohne Kieferkrampf aufrecht zu erhalten. Schließlich stellt Carolina die wichtige Frage: „na, könntet ihr euch die Wohnung vorstellen?“ Ich versuche diplomatisch auszuweichen und sage, während wir ins baufällige Badezimmer mit augenscheinlich defekter Toilette blicken: „naja, wir wollen ja nur ein Jahr bleiben, da ist schon sehr viel zu renovieren – ob sich das auszahlt?“ Carolina reagiert blitzschnell: „Wenn ihr die Wohnung trotzdem nehmt, könnt ihr sicher mit der Vermieterin die Renovierung gegenrechnen – eine Art Gegengeschäft also! Sie würde euch sicher sehr mit der Miete entgegenkommen. Ich habe so etwas schon mit ihr besprochen!“ Rudolf, der bei der Wohnungssuche unser Budget ganz streng im Auge hat, ist ganz Ohr. „Das wäre natürlich schon eine Möglichkeit! Denk mal, was wir uns da ersparen würden! Wir könnten ja auch vieles selbst machen!“ Liebevoll erinnere ich meinen Mann daran, dass wir beide nicht zu den praktischsten und heimwerkerlich begabtesten Zeitgenossen zählen und dass ein solches Unterfangen, noch dazu in einem fremden Land, allein mit den drei Kindern, von überschaubarem Erfolg gekrönt sein würde. Realistisch ist er ja doch und so müssen wir beide herzlich über diese Vorstellung lachen („Rudolf, wie er die kaputte Toilette repariert und sie danach wirklich wieder funktioniert“ oder „Angelika und Rudolf, wie sie eine neue Balkontüre einhängen, nachdem sie zuvor den kompletten Türstock erneuert und fugendicht eingebaut haben“, „Angelika, wie sie völlig schwindelfrei im 6. Stock, rund 20m über dem Gehsteig, ein neues Balkongeländer sicher verschraubt, während die Kinder dabei neugierig zuschauen“ usw. usf. – ihr seht, Gags Gags Gags ganz im Vermächtnis von Laurel und Hardy!). Wir verabschieden uns von Carolina und gehen erst einmal einen Kaffee trinken, um diese ersten beiden Besichtigungen zu verdauen.
Die nächste Wohnung liegt näher am Zentrum, ist blitzsauber und auf den ersten Blick in sehr gutem Zustand – allerdings erinnert die Einrichtung an Omis gute Stube und entspricht so gar nicht unseren Vorstellungen. Dazu kommt, dass die Wohnung sehr klein ist und auch nur einen kleinen Balkon hat. Wohnzimmer, Schlafzimmer und Küche sind südseitig ausgerichtet – ohne Klimaanlage. An diesem milden Maitag, bei moderaten Temperaturen von etwa 22° hat sich die Wohnung schon deutlich aufgeheizt. Im Hochsommer kann das rasch unerträglich werden. Wir beschließen, uns die Wohnung „einmal zu merken“ und sind froh, dass wir immer noch sieben weitere auf der Besichtigungsliste haben.
Den Abschluss des Tages macht eine Wohnung, die zufällig wieder in dem Block liegt, wo schon die vermüllte und die renovierungsbedürftige Wohnung waren. Wir, nun schon echte Insider der Gegend, marschieren zurück und überbrücken die Wartezeit bis zum Treffen mit Makler César mit einem kühlen Radler im „Central Park Café Barcelona“. Die Fotos der Wohnung sind ja grundsätzlich vielversprechend, aber wir sind nun schon drei Besichtigungen schlauer als zuvor und scherzen fatalistisch, was für eine Bruchbude uns wohl diesmal erwarten würde. Da läutet mein Handy, es ist César. Er scheint auf einem Motorroller unterwegs zu sein und überbrüllt den Verkehrslärm. Ich verstehe kein Wort und bitte ihn, langsamer und deutlicher zu sprechen. Er brüllt langsamer und deutlicher und ich verstehe immer noch nichts. César beendet das Gespräch und wir sind gespannt, was nun passieren wird. Zum vereinbarten Zeitpunkt warten wir vor dem Tür und da zischt auch schon César, schnittig ganz in schwarz auf einem schwarzen Roller um die Ecke. Bis heute weiß ich nicht, was er am Telefon eigentlich gewollt hatte – pünktlich war er jedenfalls, dh eine Verspätung hatte er nicht ankündigen wollen.
César scherzt mit dem Conserje, der uns neugierig beäugt. Das Haus hat auch Garten und Pool und ein recht gepflegtes Entrée. Die Wohnung liegt im 5. Stock und ist… so schön! Vom ersten Eintreten habe ich einen Kopf wie das Emoji mit den Herzerlaugen und kann die Freude kaum verbergen. Auch Rudolf grinst listig. Die Wohnung ist großzügig angelegt, hell, tiptop gepflegt, mit renovierten Bädern und zwei Balkonen – einer, der Richtung Meer, der andere, der Richtung Tibidabo blickt. Ich weiß ganz schnell: Die isses! Wir schauen uns alles ganz genau an, während César uns ziemlich in Ruhe lässt. Fragen beantwortet er freundlich, lässt uns aber sonst alles alleine erkunden. Am liebsten würde ich gleich einziehen. Geht aber nicht, und deshalb verabschieden wir uns sodann von César und warten, bis er mit dem Roller davongebraust ist, bis wir einander freudestrahlend versichern, dass wir die Wohnung einfach großartig finden.
Am Abend gehen wir Tapas essen und genießen die Zweisamkeit. Wir sind immer noch hingerissen von der schönen Wohnung und überlegen schon, ob wir die anderen Besichtigungen überhaupt noch machen sollten! Die Vernunft überwiegt, schließlich haben wir die Wohnung ja noch nicht. Als ich an jenem Abend einschlafe, sehe ich mich schon wenige Monate später in der Calle Trias i Pujol 4 schlafen gehen und das gefällt mir sehr.
Am nächsten Tag haben wir drei Besichtigungstermine, von denen einer sich erübrigt, weil die Wohnung zwischenzeitlich vermietet wurde. Es ist ein regenverhangener, leider düsterer Tag und hat mit der üblichen süßen Maienzeit hier in Barcelona wenig gemein – während ich das hier exakt auf den Tag genau ein Jahr später im strahlenden Sonnenschein und bei hochsommerlichen Temperaturen aufschreibe. Karina, die Maklerin, ist enttäuscht. Die Wohnung wirkt düster und wenig einladend, obwohl sie über eine chice, moderne und sehr gepflegte Einrichtung verfügt. An jenem regnerischen Tag kommt selbst durch die großen Wohnzimmerfenster nicht genug Licht herein und alles wirkt etwas traurig und verlassen. Was den trostlosen Eindruck etwas verstärkt, ist ein ganz penetranter Fischgeruch in der ganzen Wohnung – zu Karinas Begeisterung hatten sich die beiden anwesenden Putzfrauen kurz vor unserem Eintreffen Sardinen gebraten, die über einen besonders stechenden Geruch verfügen. Die Wohnung hat allerdings eine traumhafte Lage, die ganze Gegend begeistert mich. Im Gegensatz zu den anderen, hat sie aber weder Garten, noch Pool und liegt trotzdem preislich deutlich über den bisher gesehenen (sie ist auch deutlich teurer als unsere „Traumbleibe“ vom Tag davor). Schade, aber damit ist sie auch draußen.
Bleibt noch eine Wohnung für den Tag. Eine Dachgeschoßmaisonette mit wunderbarer Dachterrasse, inklusive Grillplatz und dschungelartiger Bepflanzung. Eine echte Großstadtoase. Leider liegt die Oase an einer der stärkst-befahrenen Straßen von Les Corts, drei Fahrspuren in jede Richtung – der Lärm und Gestank sind zu viel. Wir wollen der Wohnung trotzdem eine Chance geben und warten im Foyer geduldig auf den Makler Ricardo. Der nicht kommt. Wir sind geduldig. Trotzdem kommt er nicht. Ich schicke ein Whatsapp: „Hallo Ricardo! Wir sind schon da!“. Er antwortet prompt. „Ich bekomme die Schlüssel erst morgen!“ Äh ok. Dummerweise haben wir tags darauf keine Zeit mehr – zwei Besichtigungen und dann müssen wir schon zum Flughafen. Naja, wir nehmen es als Wink des Schicksals – in Richtung Trias i Pujol 4! Wir fahren nach Barceloneta an den Strand und ich schreibe César, dass wir die Wohnung gerne noch einmal sehen würden.
Der ist Feuer und Flamme. Wir vereinbaren für den darauffolgenden Tag einen Termin.
Abends gehen wir in einer unscheinbaren Bude in Sants Tapas essen und bestellen mutig nicht nur die Klassiker „Patatas Bravas“ und „Croquetas“, sondern Muscheln und Schnecken, die uns wirklich vorzüglich munden. Wir kommen uns richtig spanisch dabei vor! Am Heimweg zum Hotel unternehmen wir noch eine kleine Seiterltour von Schanigarten zu Schanigarten und arbeiten uns so langsam zum Hotel vor. La dolce Vita!
Tags darauf lacht die Sonne vom Himmel, so wie man es von Barcelona gewöhnt ist. Rudolf ist gespannt wie ein Gummiringerl auf die Maklerin Ksenia, die uns die erste Wohnung des Tages zeigen soll. Ksenia hat in ihrem Whatsapp Account, den sie ja offensichtlich auch beruflich nutzt (sie schreibt mir darüber), ein sehr aufreizendes Profilfoto – Mitte 20, lange blonde Haare, hochgepushte Brust in knappem Top und dazu ein sehnsüchtiger, lasziver Blick. Eine Verheißung! Wir treffen sie in der sehr gepflegten Wohnhausanlage Gonzalez Tablas, von der mir auch schon meine Freundin Marta erzählt hatte. Eine Top-Adresse und nicht zu Unrecht, wie sich herausstellt. Sehr gediegen, sehr gepflegt, mit wunderbarem Garten. Die Wohnung hat sogar Meerblick, den man durch die riesigen Fenster vom Wohnzimmer aus genießen kann! Wir sind begeistert. Die Vorstellung, tagtäglich beim Frühstück bereits aufs Mittelmeer zu blicken, ist schon herzerwärmend. Die Wohnung selbst ist schön, sehr groß und herrschaftlich angelegt – sie verfügt zum Beispiel über eine eigene Dienstbotenwohneinheit neben der Küche und dem Waschraum. Leider hat sie bei näherer Betrachtung einiges an Renovierungsbedarf und dafür ist der veranschlagte Preis einfach zu hoch. Ich frage Ksenia (die zu Rudolfs Enttäuschung für die Besichtigung das knappe Push-up Top unter einem hochgeschlossenen beigen Pulli versteckt hat), wie viel Spielraum der Preis noch böte. Sie antwortet schulterzuckend: „Keinen. Die Wohnung gehört einer alten Dame ohne Nachkommen. Die hat kein Interesse mehr, da was zu renovieren und auch keine Lust, zu verhandeln. Die Wohnung wird auch so vermietet werden.“ Alles klar, na dann halt nicht. Mir wäre die Lage dort ohnehin ein wenig zu weit vom Schuss gewesen – keine Geschäfte, keine Lokale rundherum. Eine gewisse spießbürgerliche Ödnis, die Ruhe und Lebensqualität ausstrahlt, aber dann doch nicht das ist, was wir uns für unser Barcelonajahr wünschen.
Von Gonzalez Tablas sind es nur ein paar Schritte nach Pintor Ribalta, wo wir Conchi treffen, die ich ja wenige Wochen zuvor vermeintlich des Betrugs überführt hatte, was sich dann als, ähem, übervorsichtige Überreaktion meinerseits herausstellen sollte. Leser des ersten Teils der Wohnungssuche wissen das schon. Die anderen wollen es vielleicht noch hier nachlesen (ein echter Krimi!).
Am Nachmittag sind wir noch einmal mit César verabredet. Er hat eine Mappe mit Vertragsunterlagen unter dem Arm und lacht siegessicher. Wir besichtigen die Wohnung wiederum und ich finde sie sogar noch schöner als zwei Tage davor. Wir erklären, dass wir die Wohnung frühestens ab Mitte Juli brauchen könnten – woraufhin César meint, dass das überhaupt kein Problem sei, wir müssten halt ab Mitte Juni bezahlen! Ha ha! Oida, César!
Wir verbleiben so, dass wir erst einmal in Kontakt bleiben würden, was ich sehr unbefriedigend finde, aber in der Situation geht es halt nicht anders. César warnt noch davor, dass eine Wohnung wie diese normalerweise sehr schnell vom Markt sei und dass er einige heiße Interessenten habe. Weil ich den Immobilienmarkt nun aber schon seit Anfang April beobachte, weiß ich, dass die Wohnung seit Mitte April bereits auf dem Markt ist – gar so heiß kann das also doch nicht sein! „Wir lassen uns sicher nicht unter Druck setzen von diesen Maklerschmähs!“ sind wir uns einig, während wir im mittlerweile schon fast zum Stammbeisl gewordenen Central Park Café mit Mineral und Cola prosten.
Wie die Geschichte ausgeht? Verrate ich jetzt noch nicht – dafür müsst ihr noch den 3. Teil der spannenden Saga „Wohnungssuche Teil III – die Vertragsunterzeichnung“ lesen.