Erste Schritte

Auckland begrüßt uns mit ungefähr 25° und mit dem für Neuseeland typischen unglaublich hellen Licht. Selbst mit Sonnenbrille oder auch bei Bewölkung wird es als richtig gleißend empfunden. Nirgends in Europa, nicht einmal im Süden im Hochsommer, gibt es vergleichbares Licht. Wir stapfen zu Fuß zum "Domestic Terminal" des Flughafens, das mehr an einen Bahnhof als an einen Flughafen erinnert. Die Wege zwischen Sicherheitskontrolle und Gates sind kürzer, und die Intervalle der Flüge zwischen den größten Städten der beiden Inseln liegen bei etwa 30 Minuten, was dem ganzen auch noch stärkeren Regionalverkehrflair verleiht.

Der Flug von Auckland nach Christchurch dauert etwas über eine Stunde und ist für uns schon gar nicht mehr der Rede wert. In Christchurch angekommen, werden wir noch vor der Gepäcksausgabe von Rudolfs Kollegin Rachel begrüßt. Sie kann uns allerdings nicht alle in ihrem Auto transportieren -- von unserem Gepäck ganz zu schweigen. So rufen wir noch ein Taxi, das ich zusammen mit Rosemarie und dem Großteil unserer Koffer und Taschen nehmen soll. Unsere neue Adresse lautet: 4 Kirkwood Avenue, was Rachel mir vorsorglich auf ein Zettelchen geschrieben hatte. Ich bitte den Fahrer also, mich nach 4 Körkwuud Ävenju zu bringen. Er versteht mich nicht. Er läßt es mich mindestens fünf mal wiederholen, bis ich ihm halt dann doch den Zettel reiche. Alexej (er hat ein ID Schild vorne auf dem Armaturenbrett) wirft einen Blick darauf und spricht mit russischem Akzent: "Aaaah! Kiiiiierkvud ju mien!" Den Rest der Fahrt ist er kaum zu bremsen. Ich weiß nun fast alles über den Herrn. Er ist seit 1993 in Neuseeland, weil er mit der russischen Regierung Ende der 80er/Anfang der 90er nichts anfangen konnte. "Ohlofsem Krimineels". Er trinkt nur noch Leitungswasser, weil "Bohteld Woter fuhl of Kemikels". Er isst nur noch Rohkost und sieht besser aus denn je! Ist gesünder denn je! Und fitter denn je! Ärzten mißtraut er sowieso, man solle sie sich doch nur einmal ansehen, alle selbst total fertig -- und Hand auf's Herz, wenn die sich schon selbst nicht heilen können, wie sollten sie denn dann ihn, Alexej, heilen können! Seit er Leitungswasser trinkt und sein Essen nicht mehr kocht, hatte er nicht mal einen Schnupfen. Ich bin recht beeindruckt, kann die Fülle an Information aber kaum fassen... Jetlag und ewig langer Flug zollen ihren Tribut. Schließlich kommt die gefährliche Frage. Ich solle schätzen, wie alt er ist! Ich finde ja, dass er (so wie viele Menschen, die so überaus gesund leben) eher alt, hager und kränklich aussieht und schätze ihn insgeheim auf 75. Da ich aber niemanden kränken will, sage ich vorsichtig, dass er wohl so um die Ende 50 sein müsse. Er voll Stolz: "Eijäm Sigstisigs!" und fügt noch hinzu, dass ich darauf wohl nicht gekommen wäre! Da hat er allerdings ganz recht.

Unser Haus ist wirklich reizend. Ein roter Backsteinbungalow mit drei Schlafzimmern, Wohnzimmer mit Kamin und großer Küche mit Eßtisch. Hinter dem L-förmigen Gebäude verbirgt sich ein wunderbarer Garten mit knorrigen Kletterbäumen und einer Art Palme, die in Neuseeland "Cabbage Tree", also wörtlich Kohlbaum heißt, von den Kindern aber sofort als "Kokosnussbaum" identifiziert wird. Ohne zu zögern klettert Klara hinauf, um die ersten Kokosnüsse zu ernten. Leider gelingt es ihr trotz Paulis Anfeuerung nicht, bis in den Wipfel zu steigen und so stellen die Kinder bunte Müslischüsseln unter die Palme, um die möglicherweise in der Nacht herunterfallenden Kokosnüsse aufzufangen.

Die Freude ist groß, endlich am Ziel zu sein, aber ebenso groß ist die Müdigkeit. Um aber möglichst rasch in der hiesigen Zeitzone anzukommen, wollen wir versuchen, zumindest annähernd bis zur Schlafenszeit wach zu bleiben. Solange wir im Haus sind, ist die Gefahr groß, dass der Schlaf uns übermannt und so machen wir kurzerhand einen Spaziergang zu der nur einen Steinwurf entfernten Canterbury University, die ab Jänner Rudolfs Wirkungsstätte sein wird. Die Fakultätsgebäude der Uni, sowie Studentenwohnheime, ein Fitness Center und ein paar mensaähnliche Cafés befinden sich inmitten eines riesigen Parks (wer unsere Adresse in Googlemaps eingibt, wird den Park gleich hinter dem Haus sehen können). Wir erkunden das Gelände ziemlich allein, sind doch gerade Sommerferien und der Campus recht verwaist. Die Vegetation erinnert stellenweise jedenfalls mehr an einen Urwald -- kaum zu glauben, dass man sich mitten in der Stadt auf Universitätsgelände befindet.

Irgendwann "dürfen" wir dann aber doch noch schlafen gehen -- nicht ohne vorher noch ein schönes, gemütliches Feuer im Kamin angezündet zu haben. Ja, wirklich, Kaminfeuer im Hochsommer. Hier wird es des Nächtens nämlich ziemlich kalt, und da die Häuser hier generell weder Isolierung noch Heizung haben, kühlen sie auch nach einem grundsätzlich heißen Tag sehr schnell aus.

Am nächsten Morgen holen Klara und Rudolf unser Mietauto, einen Rexton SUV. Unsere erste Ausfahrt führt uns zum Supermarkt, wir brauchen schließlich ein paar Vorräte. Das Angebot ist grundsätzlich dem unseren nicht unähnlich, allerdings sieht man anhand der Regalmeter pro Warengruppe ganz deutlich, dass die Präferenzen dann schon ein wenig anders sind. Die Frühstücksflocken ("Cereals") füllen beispielsweise mindestens 8m Regallänge (beim Interspar Klosterneuburg sind es vielleicht 2m, wenn überhaupt). Es gibt Kindercereals in allen Formen und Farben, verschiedenste Müslis (darunter auch alle möglichen Specials, wie beispielsweise getreidefrei für Paleodiät), mindestens 20 verschiedene Sorten Porridgeflocken... ich bin total überfordert, greife dann schließlich zu einem, das mir gefällt und stelle es gleich wieder zurück, als ich bemerke, dass es mit 18 NZ$ angeschrieben ist. Das sind rund 12 €! Für ein Packerl Müsli ist mir das dann doch etwas zu viel. Aber auch hier zeigt sich die unterschiedliche Wertigkeit der Frühstücksflocken insgesamt. Es gibt tatsächlich etliche Cereal-Sorten jenseits der 10 € pro Packung... das wäre bei uns bestenfalls ein Nischenprodukt. Des Österreichers Lieblingsschmaus Wurst spielt hier wiederum eine sehr untergeordnete Rolle. Es gibt wenig Auswahl, gerade einmal zwei verschiedene Schinken und eine Sorte Salami und ein paar Hartwürste in Cabanossiart. Beliebter scheinen Käse und Fisch, die wesentlich mehr Raum erhalten. Unser Einkaufswagen ist jedenfalls voll bis obenhin und während Rosemarie brüllt und ich schweißgebadet mit den drei Kindern das Geschäft verlasse, kommt Rudolf an der Kassa in den Genuss des "Wareneinpackservice". Er braucht lediglich zu bezahlen, während ihm ein junges Mädel alle Einkäufe in Sackerln verpackt. Sogar der Eierkarton wird sicherheitshalber noch mit Tixoband zugeklebt, Kühlware zusammen verpackt, und auch Putzmittel und Schwämmchen kommen gemeinsam in die Tüte. Da macht das Einschlichten zuhause dann auch gleich viel mehr Spass...

Wieder zuhause angekommen, koche ich ein schnelles Mittagessen, bevor es uns an den Strand zieht. Auch wenn das alles sehr sehr weit weg ist für uns, ist schließlich Heiliger Abend! Da wollen wir doch noch etwas Besonderes unternehmen und erleben. Und wie schön das dann war, darüber will ich dann morgen berichten.

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