500 Shades of Green

Nachdem wir ein paar Tage in Christchurch verbracht hatten, brechen wir am Freitag, dem 8.1., zu unserem ersten von drei Wochenendausflügen auf der Südinsel auf. Die Reise führt uns einmal quer durch die Mitte von der Ostküste an die Westküste, nämlich ins wilde Hokitika.

Die Fahrt dorthin geht über den Arthur's Pass (739m Seehöhe -- allerdings bricht man in Christchurch natürlich vom Meeresniveau auf), innerhalb der südlichen Alpen, die den Ost- vom Westteil der Südinsel trennen. Die Trennung ist allerdings nicht nur durch das Bergmassiv an sich spürbar und erlebbar. Es ist wieder erstaunlich, wie unterschiedlich die Vegetation auf einem doch relativ kleinen Gebiet ist. Ist es östlich vom Arthur's Pass doch eher trocken und teilweise sogar steppenartig dürr und steinig, erlebt man wuchernden, feuchten Urwald, kaum dass man die Passhöhe überschritten hat. Es wäre interessant, das Ganze aus der  Vogelperspektive zu sehen; die Grenze muss ganz deutlich hervortreten.

Zunächst verlassen wir Christchurch über die wirklich sehr ebene Ebene der Canterbury Plains, wobei man am Horizont schon gut das Bergmassiv erkennen kann. Die Gegend ist relativ dünn besiedelt und geprägt von wenigen großen Farmen mit riesigen Weideflächen für Kühe und Schafe. Faszinierend sind die großen automatisierten Bewässerungssysteme, die unermüdlich die Felder auf und ab fahren und für saftiges Grün sorgen (unten links im Bild). Wo nicht bewässert wird, ist die Weide leuchtend ockergelb. Ich denke, das kann man auf dem folgenden Foto ganz gut ausnehmen.

Nach etwa einer Stunde Fahrtzeit wird die Straße schließlich steiler und kurviger: wir haben den "Great Alpine Highway" erreicht. Dieser ist die große Versorgungsroute zwischen Ost und West und daher auch von etlichen wirklich großen und langen Sattelschleppern mit allem möglichen Ladegut befahren. Wir kriechen hinter Viehtransportern, Milchtankern, Kühlwägen und riesigen Traktoren her, bis sich endlich, immer mal wieder, eine kleine Ausweichbucht auftut. Es scheint hier aber zur Straßenetikette zu gehören, dass die dicken Brummer diese Ausweichbuchten auch konsequent nutzen, dort kurz stehenbleiben und warten, bis die ganze Kolonne an ihnen vorbeigezogen ist. Dies ist speziell auf der Passstraße Goldes Wert -- es gibt keinen Pannenstreifen und sowohl Fahrspuren als auch Kurven sind so eng geschnitten, dass Überholmanöver kaum (und nur mit einem wirklich gut beschleunigenden Fahrzeug) möglich sind.

Landschaftlich zeigt sich Neuseeland wie gewohnt auch hier nur von seiner besten Seite. Mittlerweile fragen wir uns ja schon, ob es hier überhaupt irgendwelche häßlichen Ecken gibt... wohin wir auch kommen, staunen wir über die Schönheit, die sich uns darbietet. Rund um den Arthur's Pass befinden sich etliche beliebte Skigebiete der Cantabrians, die aber mit dem Skitourismus wie wir ihn in Österreich kennen wenig gemeinsam haben. Riesige Hotelkomplexe, Gondelbahnen und im Sommer apere, dürre, kaputtgefahrene Pisten sucht man hier vergebens. Ski gefahren wird dort, wo und wenn es die Natur zuläßt. Auch die Straßengestaltung hat sich dem Skitourismus nicht unterworfen. Zu manchen Skigebieten führen schmalste Schotterwege, die dann auch nur bei guten Wetterbedingungen befahren werden sollten.

Auch in anderen Straßenabschnitten ist besondere Vorsicht geboten, allerdings aus einem anderen Grund. Vor allem in der Dämmerung könnte es gut sein, dass ein Kiwi hier die Straße queren möchte. Ehrensache, dass für den neuseeländischen Wappenvogel gebremst wird. Schließlich können die possierlichen Vögel, die übrigens Fell und kein Gefieder haben, nicht fliegen -- und haben es aber auch zu Fuß nicht eilig. Sie trippeln und trappeln in ihrem eigenen Tempo dahin und verlassen sich zur Orientierung sehr stark auf ihren besonders gut ausgeprägten Geruchssinn und die katzenartigen Schnurrbarthaare. Damit haben sie gegen ein Kraftfahrzeug natürlich wenig Chance...

Kiwi sehen wir auf der Fahrt leider keinen, treffen dafür aber einen anderen Schlingel oben beim Visitor Center am Scheitelpunkt des Arthur's Pass. Ein Kea kommt aus dem Wald herausspaziert und hüpft neugierig neben unserem Auto auf und ab. Kea sind weltweit nur in dieser Region heimisch und leider auch vom Aussterben bedroht. Spezielle Forschungsprojekte haben sich der Beobachtung und dem Schutz dieser hochintelligenten Vogelart verschrieben. Auch dieser Kea scheint Teilnehmer des Forschungsprojekts zu sein. Er trägt einen kleinen Metallring am Füßchen und hat keinerlei Scheu vor uns Menschen. Auf Plakaten am Parkplatz, sowie auch im Visitor Center selbst, wird über den Kea informiert und auch davor gewarnt, den Vogel zu füttern. Menschennahrung kann für den Kea einerseits sehr gefährlich werden, andererseits sollte der Wildvogel auch nicht durch Fremdfütterung in seinem Habitus gestört werden. Unserem kleinen Freund ist das offenbar beides egal. Er hüpft auf den Picknicktisch neben unserem Auto, wo eine Gruppe von Briten jausnet und entreißt einem der Männer ein ganzes Sandwich. Mit seiner Beute im Schnabel flüchtet er zurück in den Wald. Klara und Pauli sind begeistert und entsetzt gleichzeitig. Eben hatten sie noch mit Rudolf die Plakate über den Kea studiert, wo er ihnen erklärt hatte, dass der Kea kein Menschenfutter essen sollte, und nun schnappt sich der Frechdachs einfach selbst etwas! Die Entrüstung ist groß.

Vom Arthur's Pass geht es schließlich wieder abwärts... der Weg führt ja auch wieder zurück auf Meeresniveau... Wie vorher schon beschrieben, ändert sich die Vegetation schlagartig, sobald man sich auf der Westseite der Alpen befindet. Üppig, saftig, dicht ist hier der Wald. Im Gegensatz zu davor, wo es doch einige bunte Bergblumen zu sehen gab, blüht hier kaum mehr was, was die Farbgestaltung dann auch so einförmig grün macht. Aber grün ist nicht gleich grün. 500, wenn nicht gar 5.000 Shades of Green changierend im Sonnenlicht und Schatten offenbaren sich uns... unglaublich, welche Farbnuancen die Natur hier entwickelt hat. Laubbäume und Nadelbäume wechseln sich ab mit dichtem Strauchwerk, Palmen und den in Neuseeland omnipräsenten Riesenfarnen.

Der weitere Weg ist abenteuerlich, wir müssen uns an schmalen Baustellen vorbeiquetschen. Stellenweise ist die Straße so steil, bergauf und bergab, dass wir das Gefühl haben, in der Hochschaubahn zu sitzen. Die Neigungswinkel betragen stellenweise sogar 18°, was natürlich auch die großen Sattelschlepper überwinden müssen. Hier gibt es auch keine Ausweichbuchten mehr. Man mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn einem dieser Kolosse die Bremsen versagen. An einer Stelle fahren wir sogar unter einem Wasserfall durch... Rudolf läßt die Fenster herunter und die Gischt hereinspritzen. Die Kinder fühlen sich tatsächlich wie in der Erlebnisbahn im Prater -- das Gekreisch im Auto ist groß. Unten seht ihr den Straßenverlauf von der anderen Seite der Schlucht aus fotografiert.

Und so sieht es dann bei der Durchfahrt aus...

Nach etwa 2,5h malerischer Fahrt haben wir schließlich die Insel durchquert und sehen wieder das Meer (und zigtausend friedlich grasende Kühe, genau wie im Osten). Der großen Milchwirtschaft Neuseelands kann man auch nirgends entkommen. Es gibt immerhin 7 Millionen Kühe hier! Interessant ist, dass man den Eindruck hat, wesentlich mehr Kühe als Schafe zu sehen, obwohl Letztere immerhin rund 30 Millionen stark sind.

Hokitika ist eine typische neuseeländische Küstenkleinstadt. Die Häuser sind hauptsächlich hölzerne Bungalows. Im Stadtzentrum befinden sich ein paar in die Jahre gekommenen Geschäfte, hier allerdings auch eine steinerne Kirche und ein steinernes Museum -- beides der ganze Stolz des Ortes. Wir möchten den Ort gleich erkunden, schon allein deshalb, weil wir uns im Auto in erster Linie von ungesunden Snacks ernährt haben und nun voller Vorfreude auf eine richtig gute Jause sind; Gehören doch richtig gute Jausen zu jedem gelungenen Wochenendtrip einfach dazu! Ganz egal, ob Kuchen oder Sandwich, wir sind für alles offen. Nun, wir sind für alles offen, im Gegensatz zu den Gastronomiebetrieben von Hokitika. Hier ist nämlich zwischen Frühstück und Dinnertime einfach nichts zu essen zu bekommen. Wer will, kann sich im Supermarkt selbst versorgen. Darauf haben wir wenig Lust. Schließlich stolpern wir über das einzige Geschäft, das Nahrung anbietet: eine Filiale der Kette Subway. Die Begeisterung ist endenwollend, der Hunger allerdings schon so groß, dass wir uns dann tatsächlich dort hineinsetzen und "Subs" (weiche Sandwiches mit allerlei Füllung) essen. Es ist kaum zu glauben, dass es in einem ausgewiesenen Touristendorf, das sogar einer der beworbenen "Hot Spots" der Westküste ist, kein kulinarisches Angebot zwischen 10 und 18h gibt. Dafür sind ungefähr 3/4 aller Geschäfte JADE-Händler, die die schönen grünen Steine in allen Größen und Formen anbieten. Sehr hübsch, ja, aber leider nicht essbar.

        

Ohne gute Unterlage sollte man natürlich auch keinen Alkohol konsumieren. Konsequenterweise (und wie an so vielen Orten in Neuseeland) ist auch hier im Ort der öffentliche Alkoholkonsum verboten (allerdings nur in den Abend- und Nachtstunden) -- überraschenderweise gibt es hier aber einen Drive-through Liquor Store, also einen Schnapsladen, wo man vom Auto aus einkaufen kann. Das finden wir dann doch besonders kurios.

Nach der bescheidenen Jause und einem netten kleinen Stadtrundgang zieht es uns an den Strand. Baden will hier niemand... es ist viel zu stürmisch, zu wild sind die Wellen und Strömungen...Der Strand ist aber trotzdem ein echtes Highlight. Der Sand ist silbergrau und überraschend sehr warm, obwohl der Tag bis dahin gar nicht so schön war. Überall liegt ausgewaschenes, weißlich-silber glänzendes Treibholz in allen Größen und Formen. Die Wasseroberfläche und die gischtigen Wellen sehen aus wie flüssiges Metall... richtig unwirklich. Das Licht und die Farbgebung sind wieder atemberaubend -- das Bild unten gibt dies übrigens wirklich sehr gut wieder. Mittlerweile wäre es übrigens interessant zu wissen, wie oft ich in meinen Neuseelandberichten das Wort "atemberaubend" benutzt habe -- aber es trifft es halt immer am besten!

Vom Sturm lassen sich Klara und Pauli auf jeden Fall nicht beirren. Sofort werden die Dünen und das Treibholz zum Abenteuerspielplatz. Da wird in Sandlöchern mit vollem Körpereinsatz gerodelt, Muscheln, Steine und Treibholz gesammelt und gegen den Wind schreiend auf und ab gerannt. Rosemarie ist derweilen gut geschützt gegen Sonne und Wind in der Trage an Rudolfs Brust und verschläft -- wie so oft -- das ganze Spektakel. Nun, in ein paar Jahren wird sie sich an den Fotos erfreuen.

        

Vom Wind so richtig durchgeblasen, und von der Subway-Kost nicht besonders befriedigend gesättigt, freuen wir uns schon auf unser Abendessen. Im Hostel haben wir den Tipp erhalten, bei "Pipi's Pizza" einzukehren, die (laut Hostelwirt) die beste Pizza der Südinsel backen. Hungrig sind wir ebenso wie neugierig und wollen uns diese Spitzenpizza sicher nicht entgehen lassen. Und siehe da, das Geschäft ist rappelvoll als wir gegen 19h30 dort einmarschieren. Kurzerhand wird ein eigentlich reservierter Tisch für uns freigemacht, als die Chefin sieht, dass wir mit Baby und Kindern da sind und wir bestellen voll Vorfreude Pizza Hawai, eine Pizza mit Lachs und Creme Fraiche, sowie eine normale Margherita für die Kinder. Wir warten ein Weilchen, doch sind wir uns dann einig: Es hat sich ausgezahlt. Die Pizzen sind wirklich besonders gut. Klara verkündet vollmundig (im wahrsten Sinne des Wortes) in Zukunft nur mehr bei "Pipi's Pizza" Pizza zu essen, nirgends anders mehr. Obwohl die Portionen sehr groß sind, lassen wir kein Stäubchen übrig und verlassen das Lokal mit dem zufriedenen Gefühl, in Hokitika doch noch etwas Gutes auch für den Leib, neben all dem Guten für die Seele, bekommen zu haben. Den Sonnenuntergang über dem seit dem Nachmittag noch wilderen Meer betrachten wir danach vom Schutz des Autos aus und warten aber eigentlich schon sehnsüchtig auf die Dunkelheit. Wir haben noch ein ganz besonderes Ziel! Die berühmten Glühwürmchenhöhlen. Als Glow Worms werden hier die leuchtenden Larven der fliegenden Glühwürmchen bezeichnet. Diese hängen in einer Farnhöhle von den Blättern und Ästen. Sobald es finster wird, sieht man sie leuchten -- vor unseren staunenden Augen verwandelt sich der grüne Wald in eine Lichtergrotte, in der abertausend kleine Lichter giftgrün leuchten... ein großartiges Naturschauspiel. Leider war es uns technisch nicht möglich, dies auf Film zu bannen -- es gibt aber zum Glück gute Fotografen, die dies schon geschafft haben. Wer Lust hat, die Begriffe "Glow Worm Dell Hokitika" in die Google Bildersuche einzugeben, wird sofort fündig und bekommt einen großartigen Eindruck dessen, was wir da sehen durften.

Schließlich ziehen wir uns richtig müde zum Schlafen in unser Backpackerhostel "Drifting Sands" zurück... Das Drifting Sands ist unsere bisher urigste Behausung... und, naja, unser Zimmer offenbar in eine ehemalige Garage hineingebaut. Ich denke, in der Planung wurde es eher auf eine Gruppe 20-jähriger Rucksacktouristen zugeschnitten, denn auf eine fünfköpfige Familie... Das briefmarkengroße Gemeinschaftsbad und WC befindet sich im Haupthaus, was bei dem pfeifenden, kalten Wind auch nur mäßig komfortabel ist. Klara und Pauli finden die Bude (die, man muss es fairnesshalber sagen, aber wirklich sauber und eigentlich in ihrer Einfachheit doch ganz gemütlich ist) irre abenteuerlich und springen wie die Wilden auf den Stockbetten herum. Rudolf nimmt's mit Humor und ich, nach anfänglicher Skepsis, dann schließlich auch. Die Grube habe nämlich eh ich uns gegraben. Die Fotos hatten im Internet einfach so schön ausgesehen, dazu der extrem günstige Preis -- tja, vermutlich hätte ich mir gleich denken können, dass es einen Haken geben muss. Nach all unseren Abenteuern und zu dieser späten Stunde sind wir aber alle so müde, dass wir jedenfalls richtig schnell und gut unter den dicken Daunendecken einschlafen können, während der Wind an den Fensterläden rüttelt.

Hier kann man in unser "Zimmer" hineinlugen... und was wir von dieser Hostel-Homebase aus noch erlebt haben, in und um Hokitika, davon will ich dann morgen weiter berichten.

Thema: 500 Shades of Green

Kolleritsch Lake

Also bis NSL hat es den Kolleritsch verschlagen. Könnt Ihr Euch noch an die Reklame von Ich Kolleritsch, Du Kolleritsch, warum sagens zu Dir Tschus erinnern?
Danke, wieder sehr netter Bericht.

500 shades

Wie immer ein Lesegenuss

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