Gummistieferl als Ökosystem-Hasardeure
Ziemlich genau 48h nachdem unser Flugzeug in Wien-Schwechat abgehoben war, treffen wir in Neuseeland ein. Bereits im Landeanflug auf Auckland offenbart sich ein atemberaubendes Panorama: Türkises Wasser, wilde Gesteinsformationen, grüne Üppigkeit. Die Aufregung steigt noch weiter, als ich mir aufs Neue vor Augen halte, wie unglaublich weit wir nun von zuhause weg sind.
Wie immer schon mit unserem Onboard-Krimskrams bepackt wie die Esel, warten wir am Gepäckband auf unsere eingecheckten Habseligkeiten, die aus zwei sehr großen und einem mittelgroßen Koffer, sowie der ebenfalls bis obenhin gepackten (und ziemlich provisorisch mit zwei Ikea-Säcken und viel Tesaband verschnürten) Kinderwagenwanne bestehen. Während wir warten, fallen uns die kleinen, eigentlich recht herzigen Hündchen auf, die zwischen den Koffern umherwuseln und alle Gepäckstücke, sowie deren Besitzer beschnüffeln. Die Hunde gehören zur "Biosecurity Staffel", deren Aufgabe es ist, das fragile Ökosystem der beiden neuseeländischen Inseln vor Eindringlingen in Form von Samen, möglicherweise verunreinigten Tierprodukten, jeglichen Pflanzen, Früchten etc. zu schützen. Es gibt kaum etwas Organisches, was diese zarten Hundenasen nicht erschnüffeln können. Der Versuch, etwas an der Biosecurity Staffel vorbeizuschmuggeln, ist also zumeist von vornherein zum Scheitern verurteilt und kann auch ziemlich teuer werden. Wir hatten uns gut vorbereitet und in vorauseilendem Gehorsam alle Schuhe gründlichst gewaschen, sowie die eßbaren Mitbringsel in Form einer Imperialtorte und ein paar Packungen feiner Schokolade, artig deklariert. Hinsichtlich der Torte hatte ich sogar im Vorfeld sicherheitshalber eine Email-Anfrage an die neuseeländische Zollbehörde geschickt, die mir daraufhin auf offiziellem Regierungsbriefpapier antworteten: "Angelika, your cake is officially cleared by NZ customs." So weit, so gut. Die Hunde fanden unsere Gepäckstücke wie erwartet wenig interessant, dafür beschnüffelten sie Rosemarie umso aufmerksamer (Anmerkung: es ist auch verboten, Tierbabys jeder Gattung nach Neuseeland einzuführen. Wir vermuten, dass Rosemarie als Menschenbaby vielleicht einen ganz ähnlichen Geruch hat.).
Weniger Glück hatte eine asiatische Dame neben mir, die einen, man muss es leider sagen, schon ziemlich verdächtig aussehenden riesigen Umzugskarton manövrierte, der noch dazu mehrfach foliert war. Die Hunde umsprangen den Karton wie die Verrückten, schnüffelten und bellten. Die Biosecurity Agents befragten die Dame daraufhin, ob sie darin wohl Lebensmittel transportiere. Sie stellte sich taub, bzw. der englischen Sprache nicht mächtig, zuckte nur mit den Schultern und tat so, als ob sie gar nichts verstünde. Dass das ein Bluff war, war mir klar -- saß sie doch neben Rudolf im Flugzeug und ich hatte sie recht deutlich und gut Englisch reden hören. Nun, so freundlich die Neuseeländer auch sein mögen, in punkto Biosecurity kennen sie gar keinen Spass. So schnell konnte besagte Schmugglerin gar nicht schauen, hatten die Agents bereits ihr Paket mit langen Messern aufgeschlitzt -- und siehe da, die Kiste war bis obenhin voll mit einigermaßen obskur aussehenden asiatischen Lebensmitteln (die mich teilweise ein wenig an das Frühstücksbuffet in Bangkok erinnerten).
Wir überließen sie ihrem Schicksal (vermutlich eine ziemlich hohe Geldstrafe und die Vernichtung des Schmuggelguts) und zogen weiter zur Passkontrolle. Der Passbeamte fragte uns, welche Art von Schuhwerk wir nach Neuseeland einführen wollten. Wir antworteten wahrheitsgemäß, dass wir auch Gummistiefel für die Kinder dabei hätten. Das war dem Herrn einen dicken roten Vermerk auf unserer Zolldeklaration wert (und auch die Belehrung meiner Person, dass die Stiefel nicht "Wellingtons", sondern "Rubber Boots" heißen würden). Wir wurden angewiesen, uns bei einem Zollbeamten zu melden, der die Rubber Boots begutachten würde. Die Freude war enden wollend, zumal die Stieferl ausgerechnet in der Kinderwagenwanne verschnürt waren -- eine fragile Konstruktion, die nicht gestört werden durfte! Die Wanne musste schließlich noch einmal von Auckland nach Christchurch in den Flugzeugladeraum. Fluchend versuchten wir, die Stiefel irgendwie unter den verpickten Folien hervorzuwinden, ohne das ganze Gebilde zu beschädigen. Siehe da, es gelang, hat uns aber sicher ein, zwei graue Haare beschert (und mir einen Fingernagel bis aufs Nagelbett eingerissen). Der Zollbeamte begrüßte uns höflich und schnarrte, auf meine Ansage hin, dass wir hier seien, um ihm unsere "Rubber Boots" zu zeigen: "These are not rubber boots! They're called GUM boots." So kurz nach unserer Ankunft hatten wir also schon zwei neue Wörter, noch dazu Synonyme gelernt. Der Aufenthalt konnte nicht umsonst sein. Die Sohlen der Gummistieferl wurden jedenfalls genau unter die Lupe genommen. Wie gesagt, hatte ich alle Schuhe aber sehr sehr gründlich gewaschen und desinfiziert -- wären die Sohlen nicht stellenweise ein wenig abgetreten, man könnte glauben, einen neuen Schuh vor sich zu haben. Streberhaft erklärte ich dem Zollbeamten, dass ich die Stiefel zuhause selbst noch gründlich gewaschen hatte. Woraufhin er (allerdings ohne jede Ironie!) sagte: "Thank you for this. You did a very good job, Ma'am." Ich war stolz, welch ein Erfolgserlebnis nach 11h Flug. Dass mich einmal jemand für die Qualität meiner Putzarbeit loben würde, hätte ich (und vermutlich auch einige andere, die meine Hausfraulichkeit kennen) niemals für möglich gehalten. Die Stiefel durften also nach Neuseeland einreisen -- und wir mit ihnen. Mit klopfenden Herzen passierten wir die Zollschleuse und betraten neuseeländischen Boden.