Alter Schwede! Zwischen Fleischbällchen, Teelichterln und Servietten.
Nachdem die erste Nacht an unserer für uns immer noch unaussprechlichen neuen Adresse eher unruhig war, was sich zum großen Teil auf die räumliche Schlafsituation zurückführen ließ (wie berichtet, mussten sich Pauli und Rosemarie ein Doppelbett teilen), gibt es am Morgen des Tag 2 nur einen logischen Tagesplan: Einen Trip zum Ikea, um ein Kinderbett für Rosemarie zu kaufen. Ein paar andere nützliche Dinge fehlen in der Wohnung auch noch, wie zum Beispiel ein Duschvorleger oder ein Badezimmermistküberl. Ganz abgesehen davon, Teelichterl und Servietten braucht man sowieso immer – eine Reise zum Ikea kann also nie ganz vergebens sein. Google verrät, dass der nächste Ikea gerade einmal 12 Autominuten von unserer Wohnung entfernt liegt. Der Routenplaner kündet freudig von einer anspruchslosen Strecke: Einmal raus aus unserer Garage, nach ein paar hundert Metern rechts abbiegen und dann immer geradeaus bis in die Ikea-Garage hinein. Nach dem Anreisemarathon der Tage davor, nehmen wir das mehr als freudig zur Kenntnis. Das Schwierigste daran scheint das Raus- und später wieder Rein-Manövrieren in unseren eigenen mikroskopisch kleinen Parkplatz zu sein!
Zu früh gefreut, und früh gereut, fasse ich die tatsächliche Route zusammen. Auch in Barcelona herrscht der Baustellensommer und aus der „einmal rechts abbiegen und dann immer geradeaus-12-Minuten-Blitzfahrt“ werden gute 40 Minuten Millimeteraction durch winzige Gasserln (wo ich bis heute nicht ganz sicher bin, ob die nicht eher nur als Radwege gelten). Dann – endlich – aus dem Gasserlgewirr heraus, erscheint vor uns der wohlbekannte blaugelbe Riesenklotz, der von außen wirklich genauso aussieht wie daheim in Stadlau. In die Garage staut es sich jedenfalls im Schritttempo, was nichts Gutes verheißen lässt. Tatsächlich, drinnen im Möbelhaus schieben sich die Massen durch die Schauwohnungen, die Nerven liegen blank – Kinder raunzen, Eltern keppeln, ratlose Männer versuchen mit den papierenen Metermaßen Nachtkasterln und Klorollenhalter abzumessen, während ihnen skeptische Frauen daneben Saures geben. Dazwischen wälzen sich Heerscharen von gelben Riesensackerln, prall gefüllt mit Teelichtern, Kerzengläsern, Servietten, und anderem Schnickschnack. Die Menschen darunter sind lastgebeugt und wackeln im Kaufrausch von Wühltisch zu Wühltisch. Der Lärmpegel ist eh schon enorm, als auf einmal eine ohrenbetäubende Sirene erschallt. Kurze aufgeregte Konfusion, dann Stille. Für einen Moment verstummen alle – auch der Alarm (den ein Kind ausgelöst hat, das die Notausgangtüre aufgerissen hat). Alles erstarrt, als hätte jemand einen Film gestoppt. Für einen Moment jedenfalls stehen wir alle wie im Ikea Wachsfigurenkabinett, und dann geht’s gleich erleichtert noch viel lauter weiter als zuvor.
Wir wälzen uns mit dem Tross mit und werden alsbald auch fündig. Ein herziges Kinderbettchen für Rosemarie, Matratze und passende Leintücher dazu, ein kleines Kasterl für den Balkon, sowie weitere Nützlichkeiten, wie schon erwähnt. Aufgrund der verlängerten Anreise und der vielen Menschen ist es dann auch schon Mittagszeit (wo wir eigentlich schon wieder zuhause zu sein geplant hatten) und wir beschließen, gleich im Ikea Restaurant zu essen. Da kommt uns unsere österreichische innere Mahlzeitenuhr gelegen. Es ist zwar eh schon etwa 13h, aber für die Spanier ist das Mittagessen noch meilenweit entfernt. Diese essen in der Regel frühestens um 14h, wenn nicht gar noch später. Während die Spanier sich also noch weiter der Möbelhausschlacht hingeben, haben wir das Ikea-Restaurant fast für uns allein, um konkreter zu sein: Eigentlich teilen wir es uns nur mit ein paar anderen Ausländern.
Die Fleischbällchen und die all you can drink Schwedenbrause aus dem Selbstbedienungszapfhahn schmecken jedenfalls in Hospitalet de Llobregat genauso wie in Stadlau. Eine Konstante in einer sich so schnell verändernden Welt. Naja, um ehrlich zu sein, so poetisch war es dann wiederum doch nicht. Der Hunger ist jedenfalls gestillt. Nach dem Aufessen kreisen wir noch durch die Markthalle, um noch etwas Kramuri einzusammeln, der uns davor durch die Lappen gegangen war. Im Möbellager schnappen wir die nötigen Kisten und dann eilen wir zur Kassa, die – und da sind wir nach den Menschenmassen davor wirklich überrascht – praktisch menschenleer ist. Später fällt uns ein, warum das so sein muss: Es ist jetzt wirklich spanische Mittagszeit. Bei der Kassa stehen nun nur die paar Ausländer, die mit uns davor gegessen hatten. Die Spanier sitzen jetzt erst alle vor ihren Albondigas (Fleischbällchen) und stürmen die Kassen wohl erst eine gute Stunde später.
Wieder daheim, schleppen wir alle Kartons und andere Errungenschaften hinauf in die Wohnung und machen uns sogleich ans Werk. Siehe da, wenige Stunden später hat Rosemarie ein neues Bettchen und ist wahnsinnig stolz und aufgeregt. Am Balkon steht ein neues praktisches Kasterl und im Badezimmer ein kleiner Mistkübel. Am Abend liegen die neuen Servietten am Tisch und die Teelichter flackern romantisch in leeren Joghurtgläsern. Die neue Wohnung ist damit noch ein bisserl wohnlicher geworden. Die Adresse können wir zwar immer noch nicht aussprechen, dafür ist die zweite Nacht ruhig und erholsam.