Abstecher nach Japan

Am Tag nach dem großen Regen ist der Himmel zwar noch wolkenverhangen, langsam wird es aber trocken. Uns hält nichts mehr in Nelson und so begeben wir uns auf die nächste und letzte Etappe der großen Rundreise. Diesmal hat Rudolf das Quartier gebucht -- Maruia Springs Thermal Resort. Dieses liegt inmitten der Alpen und eigentlich auch ziemlich genau mittig zwischen den beiden Küsten. Auf der Karte ist schon erkennbar, dass es wohl fernab von jeder Zivilisation und recht einschichtig sein muss, selbst für neuseeländische Verhältnisse besonders abgeschieden. Für die Distanz zwischen Nelson und Christchurch bietet es sich aber perfekt an -- sind es bis und von dorthin doch ziemlich genau die gleiche Strecke. Die Fahrt weg von der Küste in die Berge (ja, sie heißen hier auf Neuseelands Südinsel wirklich auch Alpen) führt uns über lieblich-grüne Hügel und durch steile Schluchten, vorbei an dichten Urwäldern und breiten, felsigen Gebirgsflüssen.

    

     

An einer Waldlichtung machen wir eine längere Rast, wo Rosemarie gemütlich trinken kann, während Klara und Pauli den Wald erkunden. Die Fotos dieses großartigen Abenteuerwaldes habe ich bereits im Beitrag  Urwaldkinder veröffentlicht. Neben dem Rastplatz befindet sich auch ein Campingplatz, komplett ausgestattet mit Waschgelegenheit und WC. Ein einsamer Camper steht momentan dort, davor sitzen eine Frau und ein Mann sehr gemütlich in der Sonne. Wer Ruhe und Entschleunigung sucht, ist mit so einer Art von Urlaub sicher bestens bedient. Die letzte nennenswerte Ortschaft liegt zu diesem Zeitpunkt etwa 80km hinter uns... seither haben wir vielleicht drei Bauernhäuser, aber nicht ein einziges Geschäft oder eine Tankstelle passiert. Dass der Campingplatz hier auch nicht allzu oft gewartet wird, nun, dass nicht einmal jemand da ist, der hier den Platzwart geben könnte, erkennt man ganz gut an dieser Tafel:

Was andernorts aber vielleicht schon Opfer von Vandalen geworden wäre, oder zumindest einen desolaten und ungepflegten Eindruck machen könnte, ist hier aber in tadellosem, sauberem und gepflegtem Zustand. Auf Ordnung wird hier im öffentlichen Raum überhaupt sehr großen Wert gelegt. Ich hätte es nie für möglich gehalten, aber es ist hier sogar noch sauberer als bei uns in Österreich. Selbst in Großstädten wie Wellington liegt kein einziger Zigarettenstummel auf der Straße, kein Zuckerlpapier, keine alte Zeitung wird achtlos irgendwo deponiert. Und was mich am meisten freut: Es gibt hier keinen Hundekot! Wo bei uns jeder Spaziergang zum Hindernisparcours zwischen all den stinkenden Hundehaufen wird, kann man hier mit geschlossenen Augen über Gehsteige und durch Grünstreifen wandeln und sicher sein, dass man sauberen Fusses sein Ziel erreichen wird (dass man die Augen vielleicht doch offen hält, um nicht überfahren zu werden, ist eine andere Geschichte; Fußgängerfreundlich sind sie hier nämlich nicht so sehr...).

Bereits eine gute halbe Stunde nach dem Camping Platz erreichen wir das Thermalresort. Uns schwebt dabei ja etwas in der Art einer Therme Loipersdorf oder Stegersbach vor -- ein Schwimmbad mit angeschlossenem Spa/Sauna-Bereich. Wohlweislich erzählen wir den Kindern noch nichts davon, da wir uns hier mittlerweile auch nicht mehr sicher sind, inwieweit unsere Vorstellung dann mit der Realität übereinstimmt, hatten wir doch einige Überraschungen in den letzten Tagen. Nun, es war gut, dass wir die Erwartungen diesbezüglich offen gelassen hatten. Thermalresort heißt hier nämlich Baden in sogenannten "Rock Pools" -- natürlichen Felsenbecken, in denen schwefeliges, trübes Wasser vor sich hin stinkt und dabei heilsam ist für Haut und Seele. Auf etlichen Schildern wird davor gewarnt, nur ja nicht unterzutauchen, um sich nicht eine gefährliche Amöbenart in Nase und Mund zu holen. Für die Kinder ist das aus diesem Grund schon einmal nichts. Rudolf und ich gehen also abwechselnd in die Rock Pools baden. So sitzt man dann in badewannenwarmem Wasser mitten im Gebirge, atmet reinsten Sauerstoff und genießt die absolute Ruhe und Entspannung. Um den positiven Effekt des Schwefelbades zu verstärken, wird empfohlen, nach dem Bad nicht gleich zu duschen. Das führt dazu, dass praktisch alle Resortgäste einen markanten "Faule-Eier-Geruch" mit sich herumtragen. Was anfangs noch irritiert, ist man aber recht schnell gewöhnt -- schließlich, und der Wiener Ausdruck passt hier einfach gut, fäult man ja selbst so vor sich hin. Unten seht ihr die Kinder neben den Rock Pools, in denen auch gerade keine Kurgäste waren.

Das Resort selbst besteht aus einem Haupthaus, das an ein Jugendheim aus den 1970er Jahren erinnert, sowie mehreren Bungalows, in denen die Gäste untergebracht sind. Wir sind im Haus "Mountain View" und genießen vom Balkon aus ebendiesen. Daneben gibt es noch das Haus "Garden View". Die Zimmer sind recht zweckmäßig, aber komfortabel eingerichtet. In unserem Zimmer fehlt nur etwas: Ein ganzes Bett! Wir haben bloß drei Betten, die das Zimmer aber auch schon sehr gut ausfüllen. Noch ein Bett hineinzustellen, wäre darum keine Option. Wir müssen also die zwei Fauteuils, die da sind, zusammenschieben und für Pauli ein provisorisches Lager schaffen. Mit seinen etwa 110cm passt er wirklich haargenau hinein (als hätte man ihn mit dem Schuhlöffel hineingeschoben) und fühlt sich sehr wichtig und auch sehr gemütlich in diesem speziellen Nest. In der ganzen Lodge gibt es übrigens keinen Handyempfang und auch kein Internet, was zusätzlich zur Entspannung beiträgt. Weniger zur Entspannung tragen die Hinweistafeln bei, dass man gut auf sich und die Lodge achtgeben möge, man sei hier nämlich so abgeschieden, dass jede Rettung und auch Feuerwehr mindestens 2h benötigen, um zur Hilfe zu kommen.

Das ganze Resort ist übrigens im japanischen Stil eingerichtet -- was uns sehr überrascht, weil wir damit inmitten der neuseeländischen Abgeschiedenheit nämlich ganz und gar nicht gerechnet hätten. Management und Personal besteht auch ausschließlich aus Japanern, das Restaurant ist japanisch und bei der Rezeption kann man sich zum Baden richtige Kimonos ausborgen.

Am Abend gehen wir also zum Dinner ins hauseigene Restaurant Shuzan, das uns die nächste Überraschung bietet. Ein wahres "Fine Dining" Erlebnis nämlich... mit richtiger japanischer Tischkultur und elegantem Ambiente. Da sitzen wir nun also schwefel-stinkend und vom Rock-Pool-Bad auch ein wenig erledigt und passen eigentlich so gar nicht in dieses schöne Lokal. Der einzige Trost ist, dass sämtliche andere Dinnergäste auch nicht anders riechen und aussehen. Auf Empfehlung des Hauses bestellen wir "Nabe", eine Art japanisches Fondue. Hier wird ein Gaskocher auf den Tisch gestellt, obenauf kommt ein gußeisender Topf, in dem in einer würzigen Soyasuppe verschiedenste Meeresfrüchte, Fisch, Gemüse und Tofu fast fettfrei gedünstet werden. Mit kleinen Schöpfkellen fischt man sich das Gewünschte dann heraus und ißt es sodann aus kleinen Schälchen. Sobald die Einlage vertilgt wurde, kann man die Brühe noch mit einem Ei und Reisnudeln mischen und als Abschluss des Nabe eine Ramen-Suppe essen. Für die Kinder bestellen wir Dim Sum (Teigtaschen gefüllt mit Fleisch und Gemüse), das ihnen so schmeckt, dass sie sie aufgegessen haben, bevor unsere Nabe überhaupt fertig ist. Beide schlagen dann auch noch bei unserer Suppe richtig gut zu, wobei Klara sich ausgiebig an Fisch und (man höre und staune) Gemüse labt, während Pauli fast alle Reisnudeln verputzt. Rudolf sorgt für Heiterkeit, als er bei der Kellnerin Essstäbchen für mich bestellen will. Er hatte nämlich ein Paar bekommen, ich aber nicht. Als die Kellnerin zum Tisch kommt, deutet er auf die Stäbchen, mit denen er bereits die längste Zeit gegessen hatte und bittet sie, für mich auch solche zu bringen. Sie schaut ganz verdutzt und sagt dann: "Zum Essen?". Die langen Stäbchen waren nämlich dazu gedacht, die Fischstücke aus der Suppe zu fischen. Richtige Essstäbchen sind um mindestens 1/3 kürzer. Als wir den Irrtum bemerken, müssen wir alle recht herzlich lachen -- sogar die japanische Kellnerin stimmt trotz asiatischer Zurückhaltung mit ein. Ich möchte ja gar nicht wissen, wie sehr sie sich dann erst hinter den Kulissen über die europäischen Langnasen amüsiert haben! Für uns wird es aber auch schnell zum Running Gag -- aus Perspektive der Japaner muss es ja so sein, als wenn jemand bei uns im Gasthaus die Rindssuppe mit der Suppenkelle löffelt und gleich noch eine für die Frau Gemahlin bestellt.

Eine japanische Nachspeise muss es dann auch noch sein: Wir genießen "Green Tea Creme Brulee with Brown Sugar Icecream" und eine japanische Variation der neuseeländischen Pavlova mit Kokos und Maracuja. Herrlich! Dass wir hier so gut und dabei aber auch so leicht und bekömmlich essen würden, war gleich die nächste Überraschung des Tages.

Nach dem Essen ziehen wir uns in unser kleines Zimmer zurück. Die Kinder sind schon sehr müde und schlafen auch rasch ein. Rudolf möchte für die richtige Bettschwere noch einmal in einem der Rock Pools baden, während ich im Zimmer eigentlich ganz gerne noch bloggen würde. Kaum liege ich im Bett, kann ich die Augen aber auch nicht mehr offenhalten. Das gute Abendessen, die reine Bergluft und nicht zuletzt das Schwefelbad zollen ihren Tribut. Der Blog muss dann halt einmal warten. Gute Nacht.

 

Thema: Abstecher nach Japan

P. S.

We will have you over for Chinese hot pot when you get back. Same concept. Kids love it because they pick their own food to cook.

LOL

I LOL'd like a crazy person on the U4 platform this morning reading this. My fellow commuters thank you.

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